BGH fragt EuGH zur Zulässigkeit von Inbox-Werbung

Der Bundesgerichtshof hatte zu darüber entscheiden, ob es zulässig ist, in der Inbox von Freemailer-Kunden Werbeanzeigen einzublenden, die (nur) auf den ersten Blick so aussehen, als seien es E-Mails, letztlich aber klar als Werbung zu erkennen sind. Eine Einwilligung in diese Werbung liegt natürlich nicht vor, es handelt sich ja auch nicht um eingehende Werbe-E-Mails, sondern eben von AdServern eingespielte Werbebanner. Der BGH hat offenbar Sympathien für die Ansicht, dass sich solche Werbung an den gleichen strengen Maßstäben messen lassen muss, wie die E-Mail-Werbung, entscheidet den Fall aber nicht selbst, sondern bittet den Europäischen Gerichtshof um seine Einschätzung (BGH vom 30.1.2020; Az. I ZR 25/19).

Werbung in der Inbox

Freemail-Dienste finanzieren sich – wie viele andere kostenfreie Dienste im Internet – über Werbung. Dementsprechend wird auch die Inbox von Freemailern vermarktet. Ströer preist das T-Online Mail Ad etwa mit dem direkten Zugang zu den Postfächern der T-Online-Kunden an. Die Nutzer könnten so direkt mit der Werbebotschaft erreicht werden. Nach Klick auf den Banner öffnet sich die Zielseite des Werbekunden in einem neuen Browser-Tab. Allerdings ist die Anzeige als solche deutlich von tatsächlichen E-Mails zu unterscheiden. Zum einen ist die Werbung anders als die E-Mails grau unterlegt und als Anzeige gekennzeichnet. Zum anderen enthält die scheinbare E-Mail kein Datum, keinen Absender und keine Optionen zur Beantwortung oder Weiterleitung. Auch wird sie nicht in die Anzahl der ungelesenen E-Mails des jeweiligen Kunden eingerechnet.

Displaywerbung als elektronische Post?

Im Streit sind zwei Stromanbieter. Das klagende Unternehmen meinte, wegen der Darstellung in dem Posteingang der Nutzer seien diese Anzeigen so zu behandeln wie E-Mails und gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG eine Einwilligung erforderlich. Weil diese Werbung im Posteingang der Nutzer dargestellt werde, bestehe kein Unterschied zu tatsächlich versandten E-Mails, so dass die Zulässigkeit von einer Einwilligung der Nutzer abhänge.

Das OLG Nürnberg hatte dies noch abgelehnt und gemeint, dass mit elektronischer Post nur E-Mails, SMS, Whatsapps oder Direktnachrichten in sozialen Netzwerken gemeint seien. Stets gehe es um Individualkommunikation. Eine Werbeeinblendung passe darauf nicht. Dies gelte umso mehr, als die Anzeige letztlich auch ein anderes Aussehen und Funktionalität habe. Sie könne zum Beispiel einfach durch einen Klick auf ein Kreuzchen weggeklickt werden.

Elektronische Post setze schon vom Wortlaut her voraus, dass eine Nachricht an eine Adresse verschickt wird. Eine solche Versendung finde hier jedoch nicht statt. Vielmehr werde die Anzeige ohne eine Adressierung an konkrete Empfänger unmittelbar über einen Adserver eingeblendet. Die Nachricht werde auch nicht gespeichert, bis sie abgerufen werde.

BGH fragt den EuGH

Der BGH ist sich da nicht so sicher. Bei den Werbebannern handele es sich jedenfalls um eine werbende Nachricht. Fraglich sei aber, ob diese im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und der zugrundeliegenden EU-Richtlinie verschickt wurde. Zwar scheine „Verschicken“ ein Versand von einer Adresse an eine andere vorauszusetzen. Doch sei auch denkbar, dass man die Vorschriften dahin auslegen müsse, dass auch ein „Verbreiten“ von Werbebotschaften mit erfasst sei.

Es sei auch nicht zwingend, dass die Nachricht in einer Mailbox eines Empfängers ankommen muss. Möglicherweise reiche, wenn die Werbung beim Öffnen des Postfachs dort angeschaut werden kann.

Weil der Beantwortung dieser Fragen die europäische UGP-Richtlinie zugrunde liegt, hat der BGH den EuGH um Hilfe gebeten.

Die besseren Argumente sprechen gegen eine Gleichbehandlung

Der Ausgang des EuGH-Verfahrens bleibt abzuwarten. Hinzuweisen ist aber schon jetzt darauf, dass

  • Sinn und Zweck von 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gegen eine Anwendung der Vorschrift auf die beanstandete Werbung spricht. Schließlich geht es um die Verhinderung von Spam, der zu zusätzlichen Kosten und Aufwand führen kann. Die streitgegenständliche Werbung war klar als solche zu erkennen, so dass auch kein Aufwand bei dem Aussortieren anfällt.
  • Mail Ad ist letztlich nur eine besondere Ausprägung von Displaywerbung. Sieht man das anders, würde tendenziell die Werbung über Adserver und sogar Google Ads einwilligungsbedürftig.
  • Nutzer sind werbende E-Mails (ob Spam oder bestellt) gewöhnt und wissen schon deshalb, wie solche Nachrichten – im Unterschied zu der Anzeige – dargestellt werden. Mail Ads sind also keine Werbung mittels elektronischer Post, so dass auch keine Einwilligung erforderlich sei.
  • Eine andere Auslegung der maßgeblichen Vorschriften hätte auch das Potenzial zum Killer für gezielte Online-Werbung zu werden. Es macht eben einen Unterschied, ob eine E-Mail von einem Absender an einen Empfänger gesendet und von dort abgerufen wird oder im Umfeld eines kostenfreien Postfachs im Internet Werbung geschaltet wird.
  • Wie schon das Oberlandesgericht zurecht feststellte finanzieren sich kostenfreie E-Mail-Dienste nun einmal über Werbung und die Nutzer haben es ja gegebenenfalls in der Hand, einen (kostenpflichtigen) werbefreien Dienst zu nutzen oder einen E-Mail-Client zu verwenden.

Das Urteil ist schon deshalb spannend, weil erkennbar sein wird, ob der EuGH genauso werbefeindlich ist, wie der I. Zivilsenat des BGH es häufig ist. Ein Grund, Displaywerbung von einer vorherigen Einwilligung der Nutzer abhängig zu machen, besteht jedenfalls nicht.

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