Unterlassungsanspruch bezieht sich nur auf eine bestimmte E-Mail-Adresse

Entgegen einer anderslautenden Entscheidung des LG Hagen hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden, dass der Unterlassungsanspruch bei unverlangter E-Mail-Werbung sich lediglich auf eine bestimmte E-Mail-Adresse bezieht. Das Gericht betont dabei jedoch, dass dies nicht bei einem wettbewerbsrechtlichen Anspruch gelte. Von Rechtsanwalt Daniel Schätzle

Sachverhalt

In dem Verfahren standen sich die früheren Betreiber der Plattform outlets.de, die IContent GmbH, und eine Privatperson gegenüber. Letztere hatte eine Bestätigungsmail von den Betreibern mit einem Aktivierungslink zur Anmeldung auf der Plattform erhalten. Ob die Bestätigungsmail tatsächlich von der Privatperson oder einem Dritten ausgelöst wurde, blieb offen. Dies konnte letztlich jedoch dahinstehen, da eine Aktivierung unstreitig nicht erfolgte. Dennoch erhielt die Privatperson Zahlungsaufforderungen an drei ihrer E-Mail-Adressen. In einer davon wurde ein negativer Schufa-Eintrag in Aussicht gestellt.

Die Zahlungsaufforderungen wurden zurückgewiesen und ein Anwalt wurde eingeschaltet, der die Betreiber wegen unverlangter E-Mail-Werbung abmahnte. Daraufhin erhoben die Betreiber eine sogenannte negative Feststellungsklage mit dem Ziel feststellen zu lassen, dass ein Anspruch nicht bestehe. Hiergegen wendete sich der Betroffene mit einer sogenannten Widerklage mit dem Ziel, dass die Betreiber gerichtlich zur Unterlassung verpflichtet werden.

Die Widerklage setzte sich durch und die Betreiber wurden zur Unterlassung verurteilt. Dabei beschränkte das LG Frankfurt das Unterlassungsgebot jedoch nicht auf bestimmte E-Mail-Adressen sondern generell auf E-Mail-Werbung. Hiergegen wendeten sich die Betreiber unter anderem mit ihrer Berufung. Das OLG Frankfurt beschränkte das Unterlassungsgebot sodann auf konkret benannte E-Mail-Adressen.

 

Zweifel an der Unzulässigkeit des Double-Opt-In-Verfahrens

Das Gericht ließ es sich bei dieser Gelegenheit nicht nehmen darauf hinzuweisen, dass es Zweifel an der Richtigkeit der Münchener Entscheidung zum Double-Opt-In-Verfahren habe:

„Es mag dahinstehen, ob bereits die Übersendung der ersten Bestätigungsmail an den Beklagten mit dem Aktivierungslink in diesem Sinne eine unerlaubte Werbe-E-Mail darstellte, was äußerst zweifelhaft erscheint.“

Hier ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen.

 

Zahlungsaufforderung als Spam

Weiter musste sich das Gericht damit auseinandersetzen, warum eine unberechtigte Zahlungsaufforderung per E-Mail als Werbung anzusehen ist. Ausgehend von dem weiten Verständnis des Werbebegriffs viel dies recht leicht. Zunächst betonte das Gericht, dass auch die Übermittlung von Rechnungen, Zahlungsaufforderungen und Mahnungen dem Absatz und der Verwertung eigener Leistungen dienen, mithin als Werbung anzusehen sind. So dann wurde korrekt festgestellt:

„Auf die Berechtigung der klägerischen Schufa-Warnung kommt es nicht an, weil der Beklagte einen generellen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung seiner E-Mail-Adressen zu geschäftlichen Zwecken außerhalb bestehender Vertragsverhältnisse hat.“

Damit ist selbstverständlich die Aussendung einer Zahlungsaufforderung per E-Mail nicht als Spam anzusehen, wenn zwischen den Beteiligten ein Vertragsverhältnis besteht und die Zahlungsaufforderung dieses betrifft. Untergeschobene Zahlungsaufforderungen stellen dagegen Spam dar.

 

Unterlassungsanspruch bezieht sich nur auf eine bestimmte E-Mail-Adresse

Das Gericht hielt die Berufung der Betreiber jedoch insoweit für begründet, als sich der Unterlassungsanspruch generell auf E-Mail-Adressen des Betroffenen bezog.

„Der deliktische, quasi-negatorische Unterlassungsanspruch bezieht sich im Gegensatz zum wettbewerbsrechtlichen nur auf bestimmte E-Mail-Adresse.“

Eine Begründung liefert das Gericht nicht. Es wird lediglich auf eine Entscheidung des Kammergerichts in Berlin verwiesen. Diese enthält jedoch keine ausdrücklichen Aussagen dazu, warum diese Unterscheidung vorgenommen werden muss. Angesichts entgegenstehender Entscheidungen diverser Gerichte (zuletzt LG Hagen), wäre hier eine nähere Erläuterung wünschenswert gewesen.

 

Zum Hintergrund der Differenzierung

Ein gesetzliches Verbot unverlangter E-Mail-Werbung findet sich ausdrücklich nur im Wettbewerbsrecht in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Danach ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung per E-Mail, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Ein hierauf gründender Unterlassungsanspruch besteht jedoch nur für Konkurrenten, bestimmten Verbänden (z.B. Verbraucherschutzverband) oder etwa einer Handelskammer.

Unternehmen und Privatpersonen können sich dagegen nur auf den sogenannten deliktischen, quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB berufen. Danach besteht ein Unterlassungsanspruch bei der Verletzung von „sonstigen Rechten“ (vgl. § 823 Abs. 1 BGB). Unter die sonstigen Rechte fällt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (bei Privatpersonen) und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (bei Unternehmen). Die vom Inhaber eines E-Mail-Kontos nicht erlaubte Nutzung desselben zu werblichen Zwecken verletzt grundsätzlich diese sonstigen Rechte. Daraus ergibt sich für die Annahme einer Rechtsverletzung durch Spam letztlich keine Differenzierung zu einer Wettbewerbsverletzung. Zumal die Wertungen aus § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG regelmäßig für den deliktischen Anspruch übernommen werden.

Wenn das OLG Frankfurt für den letzteren Fall (Unterlassungsanspruch von Privatpersonen oder Unternehmen als Empfänger von Spam) aber eine Beschränkung auf bestimmte E-Mail-Adressen anerkennt, ist eine Differenzierung zum wettbewerbsrechtlichen Anspruch nur konsequent. Bei diesem agieren nicht unmittelbar durch die Spam-Mail Betroffene. Vielmehr zielt der Anspruch auf die Ausschaltung von wettbewerbschädlichem Verhalten. Die einzelne Werbe-E-Mail ist nur der Anlass dafür ein Unterlassungsgebot auszusprechen, welches die generelle Versendung von Spam-Mails betrifft und nicht nur die anlassbezogene E-Mail.

 

Folgen

Zunächst ist die Entscheidung zu begrüßen. Zum einen weil sie die Unzulässigkeit des Double-Opt-In-Verfahrens anzweifelt. Zum anderen weil die für Unternehmen unkalkulierbaren Risiken begrenzt werden, wenn es doch einmal versehentlich zu einer Aussendung unverlangter Werbe-E-Mails kommt. Zwar kann das Unternehmen zur Unterlassung verpflichtet werden, was grundsätzlich auch zu begrüßen ist, um das Ausufern von Spam-Mails zu begrenzen. Allerdings kann das Unternehmen dem Unterlassungsgebot ohne weiteres durch den Einsatz von Sperrlisten oder ähnlichem nachkommen.

Zu beachten bleibt jedoch, dass bei unverlangter E-Mail-Werbung immer auch das Risiko einer Inanspruchnahme durch Wettbewerber oder Verbänden droht. Die Begrenzung auf bestimmte E-Mail-Adressen gilt dann nicht. Das Risiko einer wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme dürfte sich jedoch auf die Fälle begrenzen, in denen bewusst im großen Stil Spam betrieben wird.

 

Daniel Schätzle ist Rechtsanwalt in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte. Näheres zu seiner Person finden Sie hier.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann teilen Sie ihn doch mit anderen:
Der RSS-Feed für Kommentare zu diesem Artikel. Die TrackBack URI dieses Artikel.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann teilen Sie ihn doch mit anderen: