Die widerrufene Einwilligung – Risiken verringern durch Gestaltung interner Prozesse

Es ist allgemein bekannt, dass die Werbung per E-Mail in Deutschland eine ausdrückliche Einwilligung des Empfängers voraussetzt. Im Grunde auch klar ist, dass werbende E-Mails nicht mehr versandt werden dürfen, wenn der konkrete Empfänger seine Einwilligung widerrufen hat. Was das in der Praxis konkret bedeutet, zeigt ein Urteil des Landgerichts Braunschweig. Von Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin.

 

Der Kunde kann wählen: Widerruf der Einwilligung

Aus Sicht der Unternehmen ist eine Kanalisierung eingehender Abmeldungen wünschenswert. Eine frisch veröffentliche Entscheidung des Landgerichts Braunschweig deutet darauf hin, dass den Empfängern von Werbung jeder Weg, die Einwilligung zu widerrufen, offen steht und Newsletter-Versender alle eingehenden Erklärungen berücksichtigen müssen (LG Braunschweig vom 18.10.2012, Az. 22 O 66/12).

 

Von der ignorierten Abmeldung zur Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale

Im konkreten Fall hat die Wettbewerbszentrale ein Unternehmen des Volkswagenkonzerns verklagt. Ein VW-Kunde hatte jahrelang den Newsletter bezogen und – angeblich – mehrfach versucht, sich von dem Newsletter abzumelden. Nach seiner Aussage blieben diese Abmeldungen ohne Wirkung. Der Betroffene erhielt weiterhin Werbung per E-Mail von VW.

Daraufhin hat der Betroffene eine E-Mail an eine allgemeine Adresse innerhalb der VW-Konzernstruktur geschrieben und in deutlichen Worten darum gebeten, dass zwei konkrete E-Mail-Adressen aus dem Verteiler genommen werden. Als die betreffende Person noch circa einen Monat später einen weiteren E-Mail-Newsletter erhalten hatte, wandte sie sich an die Wettbewerbszentrale mit der Bitte, das Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

Auf eine entsprechende Abmahnung der Wettbewerbszentrale hin gab VW eine Unterlassungserklärung nur in Bezug auf und gegenüber der Person ab, die sich beschwert hatte. Die geforderte allgemeine Unterlassungserklärung zu Gunsten der Wettbewerbszentrale hat VW verweigert.

 

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Braunschweig hat mit den Argumenten das Autobauers vergleichsweise kurzen Prozess gemacht und VW allgemein verpflichtet, E-Mail-Werbung nur an solche Empfänger zu versenden, die ausdrücklich zugestimmt und ihre Zustimmung nicht widerrufen haben.

Das Urteil macht ein doppeltes Dilemma des Werbetreibenden deutlich: Zum einen muss jedenfalls grundsätzlich jede Ablehnung von einem Newsletter – gleich auf welchem Wege sie zugeht – tatsächlich berücksichtigt werden. Zum anderen zeigt die Entscheidung deutlich den Unterschied für den Versender, von einer Einzelperson oder von einem Verband auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.

 

Jeder Widerruf muss berücksichtigt werden

Zwar können Marketer in den Werbe-Mails Wege aufzeigen, eine bestehende Einwilligung zu widerrufen und etwa ein Single-Opt-Out über einen Abmeldelink vorgeben. Der Empfänger ist aber nicht gezwungen, sich an diesen Weg zu halten. Dies bedeutet insbesondere, dass das werbende Unternehmen dafür sorgen muss, dass jede Newsletter-Abmeldung und jeder Widerruf einer Einwilligung – gleich auf welchem Wege dieser erklärt wird – tatsächlich (gegebenenfalls mit der Hand) zeitnah umgesetzt wird.

In den Unternehmen müssen daher Prozesse geschaffen werden, per E-Mail, per Fax oder auf anderem Wege eingehende Widersprüche zu berücksichtigen.

Klar ist aber das auch, dass die Beweislast für eine Abmeldung vom Newsletter bei dem Empfänger liegt. Kann im Streitfalle das betroffene Unternehmen nachweisen, dass eine Einwilligung zunächst vorlag, obliegt es dem Betroffenen nachzuweisen, dass er seine Einwilligung widerrufen hat.

Im konkreten Fall war unstreitig, dass die entsprechende Widerrufs-E-Mail bei dem Automobilkonzern eingegangen war. Entgegen der Ansicht von VW war die E-Mail nach Meinung der Richter auch hinreichend eindeutig. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob die Widerrufserklärungen ausreichend klar sind. Zu verlangen ist jedenfalls im Grundsatz, dass der Erklärende und die E-Mail-Adresse für die der Widerruf erklärt wird, eindeutig aus der Nachricht hervorgehen. Ist das nicht eindeutig oder müssen bei dem Unternehmen Zweifel über die Berechtigung für die Abmeldung aufkommen, wird man erwarten können, dass das werbende Unternehmen bei dem Betroffenen Nachfragen stellt. Nur wenn aus der Abmeldung nicht hervorgeht, wer der Absender ist und dass eine Berechtigung besteht, für die konkrete E-Mail-Adresse eine Widerrufserklärung abzugeben, darf das werbende Unternehmen die Abmeldung ignorieren.

 

Weitreichende Unterlassungsverpflichtung

Für das werbende Unternehmen macht es einen gravierenden Unterschied, ob im Falle einer Abmahnung eine Unterlassenserklärung nur gegenüber einer konkreten Person womöglich bezogen auf eine konkrete E-Mail-Adresse abgegeben werden muss oder ob eine den ganzen Verteiler betreffende Unterlassungsverpflichtung gegenüber einem Verband oder einem Konkurrenten zu erklären ist.

Die Entscheidung des Landgerichts zeigt, dass beide Ansprüche, also der zivilrechtlicher Anspruch des Empfängers und der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Verbandes (oder eines Wettbewerbers) grundsätzlich nebeneinander bestehen. Die Abgabe der Unterlassungserklärung gegenüber dem Betroffenen räumte nach Ansicht der Braunschweiger Richters die Wiederholungsgefahr nicht aus. Das Gericht hat dem Automobilriesen mangelnde Ernstlichkeit vorgeworfen, weil nicht damit zu rechnen sei, dass der Betroffene seine Ansprüche überhaupt durchsetze.

Andererseits ist einer solchen Unterlassungserklärung natürlich deutlich einfacher Folge zu leisten, müssen doch einfach nur die betroffenen E-Mail-Adressen auf die Black-List gesetzt werden. Bei einem allgemeinen Unterlassungsversprechen ist potenziell der gesamte Verteiler gefährdet.

Auch dies müssen werbende Unternehmen im Blick haben. Entsteht Disput mit einzelnen Betroffenen, sollte besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, die Ansprüche im Verhältnis zu der Einzelperson zu klären, um eine Ausweitung zum Beispiel auf Verbände zu verhindern.

 

Fazit

Das Urteil des Landgerichts Braunschweigs zeigt, dass es wichtig ist, unternehmensinterne Prozesse zu schaffen, jeden Widerspruch und jede Abmeldung gleich auf welchem Kommunikationskanal sie eingeht, zu berücksichtigen und umgehend umzusetzen. Außerdem ist zu empfehlen, stets das Gespräch mit einzelnen Beschwerdeführern zu suchen, um die Geltendmachung allgemeiner Unterlassungsansprüche durch klageberechtigte möglichst zu verhindern.

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte und Autor des Buches Online-Marketing und Recht . Näheres zu seiner Person finden Sie unter: http://www.haerting.de/de/team/martin-schirmbacher

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One comment

  1. KMU says:

    Reicht single-opt-out aus? Analog zu dem double-opt-in Urteil ist es kein weiter Weg mehr zu einer double-opt-out Lösung. Selbstverständlich konform gemäß TMG und BDSG dokumentiert.

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