Die Werbung per E-Mail ist verboten, es sei denn, es liegt eine Einwilligung des Empfängers vor. Soweit so klar und Gerichte haben in der Vergangenheit verschiedenste Konstellationen zumeist zu Lasten des Werbenden entschieden. Unterschiedlich beurteilt wird dabei, welchen Streitwert die Gerichte dabei anzusetzen haben. In jüngeren Entscheidungen haben es Münchener Gerichte eher moderat angehen lassen und lediglich 1.000,- EUR festgesetzt.
Streitwert: Was ist das und warum ist das wichtig?
Der Streitwert ist der Wert, den das Gericht ansetzt, wenn es über einen Streit verhandelt. Bei einer Zahlungsklage ergibt sich der Streitwert aus der Höhe des eingeklagten Betrages. Werden 30.000,- Euro eingeklagt, beträgt auch der Streitwert 30.000,- Euro. Aus dem Streitwert errechnen sich auch die Gerichtskosten, also die Gebühren, die die unterlegene Partei an das Gericht für dessen Tätigkeit zu zahlen hat. Auch die Anwaltsgebühren, die der Prozessgewinner verlangen kann, errechnen sich nach dem Streitwert.
Die Festsetzung des Streitwerts ist bei Unterlassungsklagen naturgemäß nicht ganz so einfach. Hierbei lässt sich das Gericht davon leiten, was die Sache dem Kläger Wert sein sollte. Bei einem Streit um einen unlauteren Werbeclaim zwischen zwei Einzelhandelsriesen ist der Streitwert natürlich höher als bei einem Streit um eine unbedeutende AGB-Bestimmung.
Der Streitwert ist aber auch wichtig, wenn es nicht zu Gericht geht. Inhaltlich geht es um das Gleiche, allerdings heißt der Streitwert dann noch Gegenstandswert. Auch hier ist es so, dass sich die Anwaltskosten nach dem Gegenstandswert richten. Insbesondere bei Abmahnungen hängt die Höhe der geltend gemachten Anwaltskosten vom angesetzten Gegenstandswert ab.
In einer durchschnittlichen Sache betragen die Anwaltskosten bei einem Gegenstandswert von 1.000,- Euro 147,56 Euro. Beträgt der Streitwert dagegen 10.000,- Euro werden 887,03 Euro fällig.
Die Frage ob sich für en abmahnenden Anwalt eine Abmahnung lohnt, hängt damit auch vom Streitwert ab, den die Gerichte ansetzen. Die Abmahner sind bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nicht frei. Vielmehr bestimmen im Zweifel die Gerichte, ob der angesetzte Wert angemessen war.
OLG München: Unerlaubte Werbe-E-Mail gegenüber Privatperson
Einem Rechtsanwalt wurde eine E-Mail nicht an seine Geschäfts-E-Mail-Adresse, sondern an die Privat-E-Mail-Adresse übermittelt. Im Streit um die Kosten hat das OLG München in seinem Beschluss vom 22.12.2016, Az. 6 W 1579/16, den Streitwert auf 1.000,- EUR festgesetzt. Der Anwalt hatte noch 6.000,- Euro Streitwert angesetzt. Dem ist das Gericht nicht gefolgt.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es keine Hinweise auf die Zusendung weiterer E-Mail-Werbung an eine andere E-Mail-Adresse des Klägers gäbe und die Belästigung hierdurch in einem kleinen Rahmen gehalten würde.
LG München II: Einmalige E-Mail-Werbung
Ebenfalls um eine Anwaltskanzlei ging es in einem Verfahren vor dem LG München II. In einem Beschluss vom 12.5.2017, Az. 6 T 1583/17, legte auch das Landgericht einen Streitwert von 1.000,- EUR fest. Die Kanzlei hatte einmalig eine E-Mail-Einladung zu einem Seminar erhalten, ohne dass eine Einwilligung vorlag. Da der Aufwand der Überprüfung und Löschung der E-Mail relativ gering war und es sich um einen Einzelfall handelte, hielt das Gericht einen Betrag von 1.000,- Euro für angemessen.
Abschreckung sei nicht die Aufgabe der Streitwertfestsetzung, sondern des Gesetzgebers und die Unterlassung der Werbung per E-Mail im Anschluss an eine einzelne Mail sei mit 1.000,- Euro angemessen bewertet.
Auf den Einzelfall kommt es an
Damit haben beide Gerichte den Streitwert vergleichswese gering angesetzt. Die Spanne reicht von 500,- Euro (OLG Karlsruhe) bis 7.500,- Euro (KG Berlin). In einer früheren Entscheidung des BGH wurde der Streitwert für unerlaubte E-Mail-Werbung auf 3.000,- EUR festgelegt. Das OLG Hamm hatte einen Streitwert von 4.000,- EUR als angemessen angesehen.
Für die genaue Streitwertfestsetzung kommt es auf den Einzelfall und die gegebenen Umstände an. Zum einem muss dabei der Umfang der Belästigung und der damit verbundene Aufwand zur Überprüfung der E-Mail gemessen werden. Darüber hinaus hat ebenfalls der Empfänger der E-Mail eine hohe Relevanz. Ist beispielsweise ein Mitbewerber betroffen, wird der Streitwert höher angesetzt. Andererseits handelt es sich in den beiden Einzelfällen um lediglich eine einzige E-Mail, was das Unterlassungsinteresse des Klägers erheblich senkt.
Es ist wohltuend, dass die Münchener Gerichte hier Augenmaß walten lassen. Wir alle erhalten jeden Tag werbende E-Mails, bei denen es den Absendern wohl schwer fallen würde eine Einwilligung in die Werbung per E-Mail zu beweisen. Wer nicht zu viel Zeit hat, löscht die E-Mail innerhalb von Sekunden. Eine Bewertung des Interesses, von einer solchen E-Mail eines einzelnen Unternehmens verschont zu bleiben, mit mehreren tausend Euro, ist kaum nachvollziehbar. Insofern gehen die Münchener Entscheidungen in die richtige Richtung und können Abmahnern, die deutlich höhere Gegenstandswerte ansetzen, entgegengehalten werden.
Ich akzeptiere Herrn Dr. Schirmbachers Haltung nicht, wenn er schreibt, dass es ein geringer Aufwand für den Belästigten ist, die Email wieder zu löschen. Das mag sein. Aber der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG unerwünschte Emails als unlauteren Wettbewerb bezeichnet, wenn nicht die Ausnahmetatbestände aus Abs. 3 vorliegen.