Neues EuGH-Urteil: Vermeintliche Datenschutzverstöße können durch Wettbewerber abgemahnt werden

Ob (vermeintliche) Verstöße gegen das Datenschutzrecht durch Wettbewerber abgemahnt werden können, war lange umstritten. Der EuGH hat hierzu nun abschließend entschieden: Konkurrenten ist es erlaubt, Datenschutzverstöße auch mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts anzugreifen.  

Das Vorverfahren

Im Zentrum des Verfahrens stand ein Streit zwischen zwei deutschen Apotheken. Die „Lindenapotheke“ verkaufte seit 2017 apothekenpflichtige Medikamente über Amazon. Kunden mussten bei der Bestellung persönliche Daten angeben, auch wenn diese Medikamente rezeptfrei erhältlich waren. Ein konkurrierender Apotheker klagte daraufhin vor deutschen Gerichten und verlangte, dass der Verkauf gestoppt wird, solange keine explizite Einwilligung der Kunden zur Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten vorliegt. Das UWG diente hierbei als Grundlage. Die unteren Instanzen gaben dem klagenden Apotheker recht. Der BGH hatte hingegen Zweifel daran, ob vermeintliche Datenschutzverstöße wettbewerbsrechtlich angegriffen werden können und legte dem EuGH diese (und eine weitere) Frage zur Klärung vor.

Wesentliche Aussagen des EuGH

Der EuGH stellte in seinem Urteil zwei entscheidende Punkte klar: 

Rechtsdurchsetzung durch Wettbewerber: Der Gerichtshof entschied, dass die DSGVO nationale Regelungen, die es Konkurrenten erlauben, Datenschutzverstöße vor Gericht zu bringen, nicht ausschließt. Dies gilt auch, wenn es sich um unlautere Geschäftspraktiken handelt. Der EuGH betonte, dass dieses Instrument zur Stärkung der Rechte von betroffenen Personen beiträgt und den Schutz ihrer Daten erhöht. Zudem könnten auf diese Weise zahlreiche Verstöße gegen die DSGVO verhindert werden. Übersetzt heißt das: Unternehmen können von Wettbewerbern wegen Datenschutzverstößen auf Grundlage von §§ 8, 3, 3a UWG abgemahnt und verklagt werden. 

Gesundheitsdaten bei Online-Bestellungen: Weiterhin entschied der EuGH, dass selbst bei rezeptfreien Medikamenten die im Rahmen einer Online-Bestellung erhobenen Informationen als Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO gelten. Der Verkäufer muss daher die Kunden umfassend und verständlich über die Verarbeitung dieser Daten aufklären und ihre explizite Zustimmung einholen. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob das Medikament verschreibungspflichtig ist oder nicht, da die Verbindung der Bestellung mit der Identität des Kunden Rückschlüsse auf dessen Gesundheitszustand zulassen könnte.

Auswirkungen auf Unternehmen – Gefahr der Gegenabmahnung 

Welche Konsequenzen dieses Urteil in der Praxis haben wird, bleibt abzuwarten. Zwar erhalten Wettbewerber nun eine zusätzliche Handhabe, um gegen Verstöße ihrer Konkurrenten gegen die DSGVO vorzugehen. Es drohen also nicht nur Sanktionen, z.B. Bußgelder, durch die Datenschutzbehörden, sondern auch kostspielige Gerichtsverfahren, die von Wettbewerbern initiiert werden können. Dass es nun zu einer Welle von Abmahnungen wegen DSGVO-Verstößen kommen wird, ist trotz allem aber eher unwahrscheinlich. Hintergrund ist, dass abmahnende Unternehmen dafür Sorge tragen müssen, dass sich die gerügten Rechtsverstöße nicht auch in der eigenen Organisation eingeschlichen haben. Gerade bei datenschutzrechtlichen Pflichten ist diese Gefahr groß. Hier ist bekanntermaßen 100%-ige Compliance praktisch nicht zu erreichen. Setzt sich aber das abmahnende Unternehmen selbst dem Vorwurf aus, vergleichbare Rechtsverstöße begangen zu haben, besteht für das abgemahnte Unternehmen die Möglichkeit, mit einer Gegenabmahnung zu reagieren. Werden dabei die durch den BGH und die Instanzgerichte entwickelten Voraussetzungen beachtet, erweist sich die datenschutzrechtliche Abmahnung für den Abmahner schnell als Bumerang. 

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