Der Kunde eines Versicherungsmaklers sah sich durch angebliche Service-Calls gestört und ließ diese Anrufe gerichtlich untersagen. Der Makler hatte vor allem angerufen, um herauszufinden, ob der Kunde mit der abgeschlossenen Versicherung zufrieden sei und ob er gegebenenfalls zu einer anderen Versicherung wechseln möchte. Die angerufenen Gerichte werteten dies als Werbung und verurteilten den Makler zur Unterlassung.
Pikanterweise war der angerufene Kunde selbst Geschäftsführer eines Wettbewerbers und ging deshalb namens seines Unternehmens wettbewerbsrechtlich gegen die Anrufe vor. Das LG Düsseldorf hatte zunächst eine Beschlussverfügung erlassen, in der es dem Beklagten untersagte, mit einem Telefonanruf gegenüber Verbrauchern zu werben, ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung eingeholt zu haben. Diese Verfügung wurde durch ein späteres Urteil (Az. 12 O 245/18) bestätigt. Das OLG Düsseldorf wies die daraufhin vom Beklagten eingelegte Berufung mit Urteil vom 19. September 2019 (Az. 15 U 37/19) zurück.
Die Grenze von Service-Calls zur Werbung sind fließend
Begründet wurde die Verfügung damit, dass die Service-Calls „Werbung“ im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2 UWG darstellten und deshalb einwilligungsbedürftig wären. Werbung sei weit zu verstehen und umfasse alles, was in irgendeiner Weise der Absatzförderung diene. Das Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen sei stets gegeben, wenn der Angerufene mittelbar oder unmittelbar zu einem Geschäftsabschluss bestimmt werden soll. Dafür genüge es bereits, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses die Fortsetzung oder Erweiterung der Vertragsbeziehung angestrebt oder die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf ein bestimmtes Produkt gelenkt werden soll.
Auch der BGH hat Kundenzufriedenheitsanfragen als Werbung eingestuft, weil sie jedenfalls auch dazu dienen, Kunden zu behalten und damit künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern (BGH vom 10.7.2018, Az. VI ZR 225/17). Dies gelte erst recht, wenn der werbliche Charakter des Anrufs dadurch verschleiert wird, dass er als Kundenbefragung bezeichnet wird (OLG Köln vom 19.4.2013, Az. I-6 U 222/12).
Keine Kollision mit eventuellen Nachbetreuungspflichten aus dem bestehenden Vertrag
Das Gericht betont zudem, dass diese Einschätzung nicht gegen eine eventuell bestehende gesetzliche Verpflichtung zur „Nachbetreuung“ aus § 61 Abs. 1 S. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes verstoße. Die Erfüllung dieser Pflichten müsse stets im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht stehen. Telefonanrufe zur Erfüllung der Betreuungspflichten dürfen daher nur dann für eine (mittelbare) Werbung genutzt werden, wenn gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zuvor eine ausdrückliche Einwilligung des Kunden eingeholt wurde. Da eine solche gerade nicht vorlag, hätte der Versicherungsmakler laut Gericht einen anderen Kommunikationsweg anstelle der in § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG genannten Kontaktwege wählen müssen.
Einschätzung
Verboten wurden hier nicht echte Service Calls, sondern werbende Anrufe. Zulässig bleibt der Anruf bei Kunden, soweit dies zur Vertragserfüllung erforderlich oder mindestens sinnvoll ist. So dürfen Kunden im Falle von Nachfragen zum Vertrag (hier etwa zu einem Schadensfall) angerufen werden. Die Entscheidung sollte nicht so verstanden werden, dass Service Calls generell einwilligungsbedürftig sind. Richtig ist aber, eine Einwilligung vorliegen muss, wenn der Anruf überwiegend werbenden Zwecken dient.
Dass Kundenzufriedenheitsbefragungen als Werbung angesehen werden, ist in Deutschland nicht neu – wenn auch unbefriedigend. Angesichts dessen, dass es eine Opt-out-Möglichkeit des Kunden schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen gibt, sind Kunden derartigen Anrufen nicht schutzlos ausgeliefert. Angesichts dessen, dass auch der Bundesgerichtshof Zufriedenheitsabfragen als Werbung behandelt, wird sich daran kurzfristig nichts ändern. Bei Kundenzufriedenheitsbefragungen per E-Mail bleibt für produktbezogene Befragungen im Anschluss an einen Vertragsschluss immerhin noch die Berufung auf § 7 Abs. 3 UWG, weil es sich jedenfalls um eine Werbung für das erworbene Produkt handelt.
Zulässig sollte es auch sein, in einem Service-Call eine Einwilligung in die weitergehende Werbung per E-Mail oder Telefon abzufragen. Auch Antworten auf bei der Gelegenheit des Anrufs geäußerte Wünsche des Kunden sind zulässig. Wird also etwa bei einem Kunden wegen eines Schadensfalls angerufen und spricht der Kunde in diesem Gespräch eine Aufstockung der Versicherungssumme für die Zukunft an, darf der Makler darauf eingehen und muss den Kunden nicht etwa auf einen weiteren Anruf verweisen.
Fazit: Vorsicht bei der Service-Kommunikation
Service-Kommunikation per E-Mail oder Telefon ist wichtig. Handelt es sich aber tatsächlich um Werbung, muss eine Einwilligung vorliegen. Weil die deutsche Rechtsprechung den Werbebegriff sehr weit auslegt, wird aus einem vertragsbezogenen Service-Call schnell unzulässige Werbung. Es bedarf daher klarer interner Regeln für die Kommunikation per E-Mail und Telefon, wenn Service-Calls nichts zum Abmahnbumerang werden sollen.