Löst Whatsapp jetzt die E-Mail ab?

Facebook plant über WhatsApp-Business hinaus neue Funktionen, damit auch große Unternehmen den beliebten Messenger stärker nutzen. Whatsapp-Enterprise soll mit Benachrichtigungen, Live-Chat und Sponsored Messages den Dialog mit Kunden und Interessenten leichter machen.

Im Januar startete Whatapp erstmals mit einem Dienst, der sich explizit an Unternehmen richtete. Mit der App Whatsapp Business können kleinere Firmen wie bei Facebook eine Seite einrichten, auf der Adresse, Angebote, Öffnungszeiten, E-Mail und Webseite aufgeführt sind. Die App ist ein Werkzeug, um Kundenkontakte zu ordnen und den Überblick über Verkäufe und Zahlungen zu behalten.

Nun gibt es erste Gerüchte, dass mit Whatsapp for Enterprises auch ein Produkt für größere Unternehmen eingeführt werden soll. Laut OMR.com können Konzerne dann drei Dienste nutzen: Benachrichtigungen, Live-Chat und Werbeanzeigen.

Benachrichtigungen am besten direkt auf’s Smartphone
Der wichtigste Bereich der kommerziellen E-Mail-Nutzung sind Benachrichtigungen. Bestätigt werden Anmeldungen, Passwortänderungen, Bestellungen, Lieferungen oder Hinweise auf Aktivitäten. Die fleißigsten E-Mail-Versender waren schon immer die Social Networks: „Freund X hat Deinen Post geliked“. Besonders wichtige Nachrichten wie Zugverspätungen oder Flugplanänderungen lässt man sich gerne auch direkt per SMS schicken. Ansonsten konnte sich SMS jedoch nie durchsetzen.

Viele Unternehmen haben dann begonnen, eigene Apps zu entwickeln, um damit das Recht zu bekommen, Nachrichten direkt auf den Sperrbildschirm der Handynutzer zu senden. Leider bedeutet es einen erheblichen Aufwand, Nutzer dazu zu bringen, eine App auf ihrem Smartphone zu installieren. Noch schlimmer: Von denen, die installiert haben, nutzen nach einem Monat nur noch zehn und nach drei Monaten nur noch drei Prozent die App. Viele Menschen haben daher Apps auf dem Smartphone, die sie nie nutzen.

Nachdem für ein durchschnittliches Unternehmen SMS und eigene App ausscheiden, um direkt auf’s Smartphone zu kommen, bleiben nur noch aktiv genutzte Apps. E-Mail, Whatsapp und Facebook sind die meistgenutzten Apps. Daher war es nur logisch, dass der Zuckerberg-Konzern auf der Suche nach Monetarisierung irgendwann die Schleusen öffnet.

Whatsapp bietet Benachrichtigungen
Als Pilotversuch nutzt KLM schon seit einem Jahr Whatsapp für Fluginformationen. Verschickt werden Buchungsbestätigungen, Check-in-Benachrichtigungen, Bordkarten und Flugstatus-Updates. Ebenfalls genutzt werden Facebook, Twitter und WeChat. Den bisher nur von KLM genutzten Service möchte Whatsapp grundsätzlich allen größeren Unternehmen anbieten.

Das ist zunächst einmal eine gute Idee, denn so gibt es für Unternehmen ohne eigene App eine Möglichkeit, mit wichtigen Informationen direkt auf den Sperrbildschirm der Nutzer zu kommen. Solche Servicenachrichten sind jedoch wirtschaftlich wenig lukrativ, da sie keinen direkten Umsatz bringen. Viel interessanter wäre es, über Whatsapp Produktinformationen zu versenden. Whatsapp bietet jedoch ausdrücklich keine Newsletterfunktion. Zwar werden Tools, die Newsletter über Whatsapp versenden, derzeit von Facebook toleriert. Es wäre jedoch nur konsequent, dem einen Riegel vorzuschieben, sobald ein eigener vergleichbarer Dienst zur Verfügung steht. Das könnte der Fall sein, sobald die eigene Zielgruppe auch über das Schalten von Anzeigen erreicht werden kann. Mit Custom Audiences bietet Facebook diesen Dienst bereits an. Nun könnte Whatsapp nachfolgen.

Werbeanzeigen in der Nachrichtenliste
Die wichtigste Erlösquelle für Medien wie soziale Netzwerke sind Anzeigen. Diese werden geschickt in den Nachrichtenfluss eingebettet und sind oft schwer von den eigentlichen Nachrichten zu unterscheiden. Ein Algorithmus sorgt dafür, dass nur wichtige Nachrichten angezeigt werden. Infos von Freunden sind meist relevanter als die von Unternehmen.

Unternehmen haben es daher schwer, Aufmerksamkeit zu bekommen. Einziger Weg: Anzeigen schalten. Auch bei den Anzeigen entscheidet ein Algorithmus, welche Anzeigen zu welchen Nutzern passen. So verhindert Facebook, dass seine Nutzer allzu verärgert reagieren. Whatsapp-Gründer Jan Kuom wollte nie mit Werbung nerven. Nun hat er gekündigt und prompt ist bald auch hier der Newsstream von Werbung durchsetzt. Einerseits können so neue Interessenten angesprochen werden. Andererseits könnten – siehe Custom Audiences bei Facebook – auch bestehende Kunden informiert werden.

Warum E-Mail der wichtigste Kanal bleibt
Unternehmen haben keine Wahl: Der Kampf um Aufmerksamkeit wird härter und alle Kanäle müssen wahrgenommen werden, um potenzielle Kunden zu erreichen. Aus Kundensicht ist es genau umgekehrt: Jeder Dienst, der genutzt wird, um mit Freunden zu kommunizieren, verkümmert über kurz oder lang zur Werbeschleuder.

Regelmäßig wird mit jedem neuen Kanal das „Ende der E-Mail“ heraufbeschwört. Das Gegenteil stimmt: E-Mail ist und bleibt der einzige Kanal, über den der Nutzer die volle Kontrolle hat. Wer ein eigenes E-Mail-Konto hat, muss keinerlei Werbung ertragen, die er nicht selbst abonniert hat. Ein einziger Klick auf „abbestellen“ genügt, um werbefrei zu sein. Wenn nicht, helfen Verbraucherzentrale oder Anwälte gerne mit den von Unternehmen verhassten Abmahnungen nach. Ganz anders bei privaten Mediendiensten: Diese müssen über kurz oder lang ihr Geld damit reinholen, dass sie die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer mit Werbung monetarisieren.

Fazit: Werden Sie Ihr eigener Mediendienst, indem Sie sich mit relevanten Inhalten eine eigene Reichweite aufbauen. Momentan findet eine starke Rückbesinnung auf den Wert des eigenen CRM statt – aus gutem Grund.

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2 comments

  1. Frank Rix says:

    Moin Herr Schwarz! Schöner Artikel. Auch ich sehe in WhatsApp keine Konkurrenz für die E-Mail. Doch wenn der User irgendwo tatsächlich die volle Kontrolle hat, ist es bei WPNs (Web Push Notifivations) und nicht bei der E-Mail. Daher sehe ich auch hier am ehesten Konkurrenz. Schöne Grüße aus Hamburg.

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