Datenschutzbehörden für strenges Kopplungsverbot

Jede Verarbeitung personenbezogener Daten bedarf einer Rechtfertigung. Stammt die Rechtfertigung aus einer Einwilligung, muss diese freiwillig sein. Uneinigkeit besteht darüber, ob und unter welchen Umständen eine Einwilligung zur Nutzung personenbezogener Daten noch „freiwillig“ ist, wenn sie nur erfolgt, um kostenfreie Produkte eines Anbieters nutzen zu können. Umstritten ist also nicht nur, unter welchen Voraussetzungen eine Koppelung überhaupt zulässig ist, sondern auch wann eine Einwilligung in Datenpreisgabe „freiwillig“ erfolgt. Die Datenschutzbehörden aus Bayern und Nordrhein-Westfalen haben nun strenge Ansichten erkennen lassen.

Das vermeintliche Kopplungsverbot der DSGVO
Das Kopplungsverbot wird aus Art. 7 Abs. 4 DSGVO abgeleitet, in dem es heißt, dass bei

„… der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, … dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden“ muss, „ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.“

Häufig wird die Vorschrift so verstanden, dass eine Einwilligung nur dann an den Bezug einer Leistung gekoppelt werden darf, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten, auf die sich die Einwilligung bezieht, für die die Leistungserbringung erforderlich ist. So wäre die Einwilligung zu einer Newsletter-Anmeldung, im Gegenzug zur Nutzung kostenloser Whitepaper-Downloads oder der Teilnahme an einem Gewinnspiel unzulässig, da die Daten zur Vertragserfüllung nicht notwendig sind.

Ein absolutes Kopplungsverbot lässt sich aus Art. 7 Abs. 4 DSGVO jedoch nicht entnehmen. Die Formulierung, dass dem Umstand in „größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden“ soll, lässt darauf schließen das eine Kopplung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern ein Bewertungskriterium der „Freiwilligkeit“ der Einwilligung darstellt.

Die Einhaltung des Gebots der Freiwilligkeit der Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11, 7 Abs. 4 DSGVO ist somit entscheidend. In Erwägungsgrund 43 der DSGVO wird der Begriff der „Freiwilligkeit“ präzisiert. „Freiwillig“ ist gleichbedeutend mit „ohne Zwang“. Der Betroffene muss eine echte oder freie Wahl haben, er muss in der Lage sein die Einwilligung zu erteilen oder zu verweigern, ohne dass ihm dadurch Nachteile entstehen.

Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil vom 27. Juni 2019 (27.06.2019 – 6 U 6/19) entschieden, dass der Austausch „Daten gegen Leistung“ bezüglich eines Gewinnspiels grundsätzlich verlangt werden kann, solange eine wirksame Einwilligung des Nutzers vorliegt. Wichtig sei, dass die Einwilligung so gestaltet ist, dass der Nutzer eigenverantwortlich entscheiden kann, ob er diese abgibt oder nicht.

BayLDA: „Freiwilligkeit“ nur bei Wahlmöglichkeit auf der gleichen Website
Stets von Interesse ist, was die Datenschutzaufsichtsbehörden zum E-Mail-Marketing sagen. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat sich in seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 (PDF, S. 40) ebenfalls mit dem Kopplungsverbot und insbesondere mit der Frage der „Freiwilligkeit“ einer Einwilligung zu Werbezwecken auseinandergesetzt.

Behandelt wurde ein Fall, in dem eine kostenlose Software auf einem Online-Portal zur Verfügung gestellt wurde, um im Gegenzug die Einwilligung in die Newsletter-Anmeldung zu verlangen. Alternativ konnte sie Software auf einem anderen Portal kostenpflichtig, ohne Einwilligung in die werbliche Nutzung käuflich erworben werden.

Das BayLDA vertritt die Ansicht, dass eine Einwilligung nur „freiwillig“ ist, wenn das gleiche Produkt kostenpflichtig auf derselben Website angeboten wird. Ein kostenpflichtiges Angebot des Produkts auf einer anderen Plattform eines Drittanbieters reiche nicht aus. Nur wenn die Wahlmöglichkeit auf derselben Website vorhanden ist, kann nach Ansicht des BayLDA eine Kopplung „Leistung gegen Daten“ verlangt werden und die Einwilligung des Nutzers könne „freiwillig“ erfolgen.

Leistung gegen Datenpreisgabe als vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis
Auch die Datenschutzbehörde in Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) hat sich zum Kopplungsthema geäußert: In seinem Jahresbericht zum Datenschutz 2020 (PDF, S. 40) hat die Behörde kundgetan, dass die Kopplung der Teilnahme an Gewinnspielen mit einem Abonnement eines E-Mail-Newsletter aus ihrer Sicht gegen das Gebot der Freiwilligkeit und gegen das Kopplungsverbot verstößt. Die fehlende Freiwilligkeit ergebe sich in einem solchen Fall aus Erwägungsgrund 43 der DSGVO. Es sei als Nachteil zu werten, wenn dem Nutzer im Fall der Ablehnung des Abos, die Möglichkeit zur Gewinnspielteilnahme verwehrt werde. Zudem führt das LDI NRW aus, dass eine Einwilligung zu Werbezwecken in der Regel nicht erforderlich ist, um ein Gewinnspiel durchzuführen.

Allerdings zieht das LDI NRW jedoch eine weitere Möglichkeit des Austauschs „Daten gegen Leistung“ in Betracht: Als alternative Rechtsgrundlage könne der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO herangezogen werden. Ähnlich wie bei einem Vertrag ist eine notwendige Datenverarbeitung auch bei einem Schuldverhältnis zulässig. Regelt also eine Vereinbarung zwischen Nutzer und Websitebetreiber, dass der Nutzer nur an dem Gewinnspiel teilnehmen kann, wenn er der Newsletter-Anmeldung zustimmt, liege hierin ein zulässiges Austauschverhältnis. Durch eine vertragliche Vereinbarung werde ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Leistung des Webseitenbetreibers und der Werbeeinwilligung des Teilnehmers, geschaffen.

Eine solche Kopplung der Leistung des Anbieters und der Datenpreisgabe ist nach Ansicht des LDI NRW nur zulässig, solange sie dem Nutzer deutlich offengelegt wird. Hinreichend transparent sei eine Kopplungssituation, wenn ein Gewinnspiel nicht als „kostenlos“ beworben, sondern als gegenseitiger Vertrag „Gewinnchance gegen Daten für Zusendung des Newsletters“ angeboten wird.

Transparenz als wichtigste Voraussetzung für zulässige Kopplung
Beide Behördenmeinungen sind zu streng. Ist oberstes Gebot die Freiwilligkeit, muss auch allein darauf abgestellt werden: Niemand ist gezwungen („frei von Zwang“) an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Niemand muss ein Whitepaper oder eine kostenfreie Software herunterladen und niemand muss an einem kostenfreien Webinar teilnehmen. Wer bei der Frage der Einwilligung nur auf die Erteilung und nicht auf die gewährte Gegenleistung schaut, verengt den Blick in unzulässiger Weise.

Richtig ist aber, dass die Kopplung transparent sein muss. Müssen erst viele Daten eingegeben oder (wie vereinzelt bei Gewinnspielen) viele Fragen beantwortet werden, bevor klar wird, dass eine Werbeeinwilligung Voraussetzung für die Teilnahme ist, kann es tatsächlich im Einzelfall an der Freiwilligkeit fehlen. Ist den Nutzern das Grundkonzept „Daten gegen Leistung“ aber klar, gibt es keine Zwangssituation und die erteilte Einwilligung ist freiwillig.

Fazit
Was Datenschutzaufsichtsbehörden in ihre Tätigkeitsberichte schreiben, ist ein Praxisbericht und letztlich deren Meinung. Wie gegen einen Bescheid des Finanzamts oder ein Parkticket, kann man gegen Verwaltungsakte von Datenschutzbehörden vorgehen. Von solchen restriktiven Ansichten abschrecken lassen, muss man sich bei der Leadgenerierung jedenfalls nicht.

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