Haftung des Marketplace-Händlers für Empfehlungsfunktion

Marketplace-Händler sind für die Weiterempfehlungsfunktion der Plattform verantwortlich. Dabei spielt es weder eine Rolle, ob der Händler die Einbindung der Funktion beeinflussen kann, noch ist erheblich, dass er nicht als Absender in der Empfehlungs-E-Mail erkennbar ist.

BGH zu Tell-a-Friend

Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2013 das Empfehlungsmarketing erheblich eingeschränkt und den Einsatz einer Tell-a-Friend-Funktionen als (weitgehend) unzulässig eingestuft (BGH v. 12.9.2013, Az. I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail)

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt bot ein Unternehmen auf seiner Website eine Tell-a-friend-Funktion an. Jeder konnte mittels dieser die E-Mail-Adresse eines Dritten eintragen und eine automatisch generierte E-Mail an diesen Dritten auslösen, in der auf die Website des Unternehmens hingewiesen wurde. Weitere Werbung enthielt die Nachricht nicht. Bei dem Empfänger erschien das Unternehmen als Absender der E-Mail. Der BGH argumentierte stringent und bewertete die betreffende E-Mail als unzulässige Werbung des Unternehmens, wenn der Empfänger nicht zuvor seine Einwilligung erklärt habe. Danach ist auch die unstreitig von einem Dritten initiierte Empfehlungs-E-Mail an einen Bekannten eine Spam-Mail des Unternehmens.

Der Entscheidung wurde teilweise entnommen, dass eine andere Bewertung möglich ist, wenn der Empfehlende und seine E-Mail-Adresse als Absender der Empfehlungs-E-Mail erkennbar sind und nicht das die Funktion anbietende Unternehmen. Dem hat der BGH mit seiner Entscheidung zum Freunde Finder von Facebook letztlich eine Absage erteilt (BGH v. 14.1.2016, Az. I ZR 65/14 – Freunde finden).

Weiterempfehlungsfunktion auf dem Marketplace

Auf Online-Markplätzen wie Amazon sind Weiterempfehlungsfunktionen üblicherweise trotz der BGH-Entscheidungen eingebunden. In der Regel haben die Händler, die auf solchen Plattformen ihre Produkte anbieten, keine Möglichkeit diese Funktionen zu deaktivieren.

Dennoch ist die Funktion einem Amazon-Händler auf die Füße gefallen. Das OLG Köln entschied bereits 2016, dass die Weiterempfehlungsfunktion der Plattform dem Händler zuzurechnen sei (OLG Köln v. 10.6.206, Az. 6 U 143/15).

Die Entscheidung, in der es auch um unzureichende Pflichtangaben ging, reiht sich damit in eine Reihe von Entscheidungen, die eine weitgehende Haftung von Marketplace-Händlern annehmen. Danach haften die Händler auch für Angaben, die nicht von ihm selbst stammen, sondern automatisch vom Plattformanbieter eingestellt werden. Die Händler machen sich die Angaben der Plattform in ihrem Händlershop zu Eigen. Sie müssen sich die Angaben als eigenes Handeln zurechnen lassen, auch wenn einzelne Angaben vom Plattformbetreiber selbst und ggf. sogar ohne Kenntnis der Händler dem Angebot hinzugefügt werden.

Dem Händler hilft der Hinweis auf die Marktmacht und Praxis der Plattformanbieter nicht. Sie müssen entweder ihr Angebot auf der Plattform einstellen oder beim Plattformbetreiber auf eine Änderung hinwirken.

Dem Händler hilft auch nicht, dass das Versenden auf dem Willen eines Dritten beruht. Entscheidend ist vielmehr allein das Ziel, das der Händler mit der ihm zurechenbaren Empfehlungsfunktion erreichen will: Eine solche Funktion diene erfahrungsgemäß dem Zweck, Dritte auf den Händler und seine Angebote aufmerksam zu machen.

Bereitstellung ist für die Haftung ausreichend

Das Gericht nahm sogar an, dass die bloße (zurechenbare) Bereitstellung ausreichend ist. Ob die Weiterempfehlungsfunktion bereits jemals ohne Willen des Empfängers benutzt worden ist, sei ohne Belang, da sie jederzeit benutzt werden kann.

Damit ließ das Gericht nicht gelten, dass die Klägerin in dem Verfahren scheinbar Empfehlungs-E-Mails vorgelegt hat, die sie selbst unter Verwendung der Funktion ausgelöst hatte. Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs ließ das Gericht nicht gelten.

Namentliche Nennung nicht entscheidend

Das Gericht hielt es zudem für unerheblich, dass der betreffende Händler gar nicht in der Empfehlungs-E-Mail namentlich genannt wird. Das erscheint angesichts der BGH-Entscheidung konsequent, lässt aber unberücksichtigt, dass es sich nicht um eine eigene Funktion des Händlers handelt, sondern lediglich um eine zugerechnete Funktion.

Konsequenz

Die Entscheidung begründet eine Haftung faktisch durch bloße Teilnahme auf einer Plattform als Marketplace-Händler. Es ist weder entscheidend, dass der Plattformanbieter allein das „Ob“ der Empfehlungsfunktion und deren Ausgestaltung in der Hand hat. Selbst der Nachweis einer unerwünschten Nutzung sowie die nicht namentliche Nennung des Händlers sind nicht maßgeblich.

Damit wird die Verantwortung von Plattform-Händlern erheblich ausgeweitet. Immerhin hat Amazon in diesem Falls scheinbar reagiert. Die Empfehlungsfunktion wird nunmehr als „mailto“-Funktion angeboten, bei der sich der E-Mail-Client des Nutzers öffnet. Dies bleibt die einzige Möglichkeit, Empfehlungsfunktionen anzubieten, ob auf der eigenen Webseite oder als Marketplace-Händler.

Damit ist allen werbenden Unternehmen, die auf Online-Plattformen Dritter auftreten, geraten, den präsentierten Auftritt auf rechtliche Zulässigkeit zu prüfen und sich nicht dahinter zu „verstecken“, dass der Anbieter die eigentliche Gestaltung allein in der Hand hat. Notfalls muss auf den Plattformanbieter mit Hinweise und Forderungen eingewirkt werden.

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