Die Rechtslage im E-Mail-Marketing gilt in Deutschland als besonders streng. Bei jeder E-Mail, bei der eine Einwilligung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, drohen Abmahnungen und Klagen. Ein Fall aus Übersee zeigt nun, dass das deutsche Rechtsdurchsetzungsverfahren noch eher harmlos ist. Eine kanadische Aufsichtsbehörde hat gerade den Chef einer B2B-Plattform persönlich wegen Verstößen gegen die kanadischen Anti-Spam-Gesetze in Anspruch genommen und ein Bußgeld von 100.000 $ (ca. 66.000,- Euro) verhängt.
Kanadische Aufsichtsbehörde ermittelt gegen B2B-Plattform wegen Spammings
Auf den interessanten Fall weist unsere kanadische Kollegin Elisa Henry von der Kanzlei BLG hin. Das amerikanische Plattform-Unternehmen nCrowd hatte die Assets eines Wettbewerbers übernommen und dort auch eine größere E-Mail-Liste übernommen. In der Folge wurden diese Adressen gezielt mit Werbung ihrer Kunden bespielt. Darüber hatten sich viele Empfänger bei der kanadischen Aufsichtsbehörde beschwert, die in der Folge ein Verfahren gegen nCrowd einleitete. Die Gesellschaft ging während des Verfahrens in die Insolvenz und die Behörde richtete ihre Ermittlungen gegen den CEO des Unternehmens.
Die Ermittlungen ergaben, dass nCrowd nicht nachweisen konnte, dass irgendwelche Anstrengungen unternommen wurden, nach kanadischem Recht erforderliche ausdrückliche oder implizite Einwilligungen der Empfänger einzuholen. Zudem wurde gegen Vorgaben zu Abmeldemöglichkeiten verstoßen. Die Tatsache, dass es sich um erworbene Adressen handelte half nCrowd nicht. Viele Adressen gehörten zudem zu Funktionspostfächern größerer Unternehmen, wofür regelmäßig keine individuellen Einwilligungen erteilt werden.
Persönliche Verantwortung des CEO
Für diese Verstöße sei der CEO auch persönlich verantwortlich. Nach der von ihm maßgeblich begleiteten Übernahme sei es seine Verantwortlichkeit gewesen, das Vorliegen von Opt-ins zu prüfen und Marketingkampagnen erst zu fahren, nachdem hinreichend sicher gestellt war, dass ausreichende Einwilligungen vorlagen. Die Behörde verhängte eine persönliche Strafe von 100.000 CAD und begründete dies unter anderem damit, dass der CEO ein persönliches Vermögen von mehr als 1.000.000 CAD habe (Compliance and Enforcement Decision CRTC 2019-111 vom 23.4.2019).
Privatstrafen auch in Deutschland denkbar
Auch in Deutschland sind persönliche Strafen denkbar. Sowohl das TMG als auch die DSGVO lassen Strafen auch gegen handelnde Personen zu. In der Praxis passiert dies bisher jedoch kaum. Anders ist das in UWG-Verfahren, in denen unter Umständen auch Geschäftsführer mit einbezogen werden können.
Immer wieder Schwierigkeiten beim Asset-Deal
Spannend ist auch der Sachverhalt, der natürlich so oder ähnlich vielfach auch in Deutschland stattfindet: Ein Unternehmen wird zerschlagen und die Assets verkauft. Dabei können auch E-Mail-Verteiler verkauft werden.
Diese Adresslisten zu Marketingzwecken zu nutzen, ist riskant. Liegt keine Einwilligung vor, fällt dies dem werbenden Erwerber auf die Füße. Einen Schutz guten Glaubens gibt es insofern nicht. Wird das Vorliegen von Einwilligungen zugesichert und bekommt der Erwerber anschließend mit Empfängern Ärger, ist er auf vertragliche Ansprüche gegen den Verkäufer angewiesen, um sich Schäden und Aufwände ersetzen zu lassen.
Doch auch wenn eine Einwilligung der Empfänger vorliegt und ordentlich nachgewiesen ist, bleibt die Frage, ob diese auch von dem Erwerber genutzt werden kann, schließlich haben die Abonnenten die Einwilligung gegenüber dem früheren Unternehmen abgegeben. Hier ist es Frage des Einzelfalls, ob die Einwilligungen weiter genutzt werden können. Wird etwa ein ganzer Shop oder eine App verkauft, liegt das sehr nahe. Der bloße Verkauf des Verteilers wird kaum ohne Nachfrage bei den Empfängern in zulässiger Weise zu nutzen sein.