Die nächste (Werbe-)E-Mail wird teuer!

Jede werbende E-Mail bedarf der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers. Versendet ein Unternehmen eine Werbe-E-Mail an einen Empfänger und kann es nicht nachweisen, dass dieser in den Empfang eingewilligt hat, sieht es sich der Gefahr einer Abmahnung ausgesetzt.

Das bedeutet, dass der Empfänger der Werbe-E-Mail einen Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung hat, dass das Unternehmen zukünftig keine Werbe-E-Mails mehr an ihn versendet. Um diesem Anspruch Gewicht zu geben und die Wiederholungsgefahr auszuräumen, wird das Unternehmen aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Darin verpflichte sich das Unternehmen im Falle einer erneuten Versendung von Werbe-E-Mails an den Empfänger, eine Vertragsstrafe zu zahlen.

Vertragsstrafe und Ordnungsgeld!

Bei diesem Vertragsstrafen-Versprechen handelt es sich um einen privatrechtlichen Vertrag. Es hat sich durchgesetzt, das Vertragsstrafen-Versprechen nach dem sog. Hamburger Brauch zu formulieren. Danach wird kein bestimmter Betrag festgelegt. Im Falle eines Verstoßes wird vielmehr die Höhe der Vertragsstrafe vom abmahnenden E-Mail-Empfänger nach billigem Ermessen festgelegt und ist im Streitfall von den Gerichten zu überprüfen (§§ 339, 315 BGB).

Weigert sich das Unternehmen, die Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, kann im Wege einer einstweiligen Verfügung (§ 935 ZPO) der Unterlassungsanspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Dazu wird das Gericht im Tenor, neben der Verpflichtung zur Unterlassung weiterer Werbe-E-Mails an den Empfänger, ein Ordnungsgeld bei Zuwiderhandlung androhen (§ 890 ZPO). Die Höhe des Ordnungsgeldes liegt im Ermessen des Gerichts. Bei dem Ordnungsgeld handelt es sich um ein Ordnungsmittel der Zivilprozessordnung (ZPO). Wie die Vertragsstrafe dient es in erster Linie als Druckmittel zur Verhinderung weiterer Verstöße. Anders als bei der Vertragsstrafe fließt das Geld jedoch nicht an den abmahnenden Empfänger einer Werbe-E-Mail, sondern an den Staat.

Die Höhe der Vertragsstrafe

Häufig sind sich die Parteien darüber einig, dass eine erneute Werbe-E-Mail versand wurde, für die keine ausreichende Einwilligung vorlag. Der Streit entzündet sich eher daran, wie teuer der erneute Verstoß zu sein hat.

In einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG Köln vom 1.6.2011, Az. 6 U 4/11) wurden von anfänglich verlangten 10.000,- Euro Vertragsstrafe 500,- Euro festgesetzt.

Eine Lebensversicherung hatte an einen ehemaligen Bestandskunden und Steuerberater eine Werbe-E-Mail versand. Gegenüber diesem hatte sie sich bereits zur Unterlassung verpflichtet, wegen bereits zuvor erfolgter Werbemaßnahmen. Als Empfänger der Werbe-E-Mail wurde ein Herr Sigi Sorglos bezeichnet, offensichtlich ein Phantasiename. Unter diesem wurde die E-Mail-Adresse des Steuerberaters erneut zum Empfang des Newsletters eingetragen. Außergerichtlich hatte der Steuerberater noch 10.000,- Euro Vertragsstrafe gefordert. Erstinstanzlich wurden daraus 6.000,- Euro, denn er könne es nicht ausschließen, dass ein Dritter seine E-Mail-Adresse eingetragen habe. Indes löse auch ein solcher Vorgang den Vertragsstrafenanspruch aus.

Noch während des Verfahrens erhielt der Steuerberater per Post Prospektmaterial von der Lebensversicherung. Daraufhin wurde die eingeforderte Vertragsstrafe auf 9.000,- Euro erhöht. Im Berufungsverfahren vor dem OLG Köln verminderte sich der geforderte Betrag auf 3.000,- Euro für die unverlangte Werbe-E-Mail.

Das Gericht legte die verwirkte Vertragsstrafe gem. § 315 Abs. 3 BGB schließlich auf 500,- Euro fest. Zum einen sei mit diesem Betrag der entstandene immaterielle Schaden einer Belästigung abgegolten. Der Grad dieser Belästigung sei als gering einzustufen, da die einzelne Werbe-E-Mail mit nur einem Klick gelöscht werden könne. Zum anderen reiche der Betrag aus, um einen ausreichenden Druck aufzubauen, dass zukünftig keine weiteren Werbe-E-Mails an den Steuerberater versendet werden. Die Lebensversicherung wisse als im Geschäftsleben stehendes Unternehmen, dass für den Fall von weiteren Verstößen höhere Vertragsstrafen festzusetzen sein werden. Es treffe daher nicht zu, dass durch die Zahlung eines Betrages von „nur“ 500,- Euro die Lebensversicherung sich von der Einhaltung der Verpflichtung sozusagen „freikaufen“ könne.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass noch während des Verfahrens Prospektmaterial per Post an den Steuerberater versand wurde. Dies beruhte darauf, dass ein Mitarbeiter der Versicherung dieses Material nicht als Werbung einstufte. Damit handle es sich um einen getrennten Vorgang, der nicht den Schluss darauf zu lasse, dass die Lebensversicherung nicht gewillt sei, die Unterlassungserklärung einzuhalten. Die Vertragsstrafe für die Übersendung des Prospektmaterials wurde auf 1.500,- Euro festgesetzt.

Der Fall zeigt, dass es sich lohnt die Auseinandersetzung über die verwirkte Vertragsstrafe nicht zu scheuen.

Besser eine einstweilige Verfügung

Häufig wird der Abmahnende darauf hinwirken, die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung zu erwirken, die einen bestimmten Betrag für die Höhe der Vertragsstrafe festlegt. Neben dem Zweck, weitere Werbe-E-Mails nicht mehr zu erhalten, ist es verlockend einen entsprechend hohen Beitrag zu formulieren, um sich so im Falle des Verstoßes eine stattliche Summe auszahlen zu lassen. Unternehmen, die von derartigen Abmahnungen betroffen sind, sollten auf die Unterzeichnung einer modifizierten Unterlassungserklärung nach dem Hamburger Brauch hinwirken.

Zeigen sich schon dabei Auseinandersetzungen mit dem Abmahnenden auf, der zudem noch eine überhöhte Vertragsstrafe fordert, kann es sich für den Abgemahnten lohnen, auf das einstweilige Verfügungsverfahren auszuweichen. Zwar sieht er sich dann mit einem gerichtlichen Verfahren konfrontiert, mit entsprechenden Gerichts- und Anwaltskosten. Doch wird das Gericht ein angemessenes Ordnungsgeld festlegen. Zudem wird die gerichtliche Auseinandersetzung nur zeitlich nach hinten verschoben werden, wenn die Höhe der Vertragsstrafe bereits von Anfang an von den Parteien unterschiedlich bewertet wird.

Fazit

Hat ein Unternehmen eine Unterlassungserklärung unterzeichnet, weil es unverlangte Werbe-E-Mails versandt hat, und kommt es dennoch zu einer erneuten Versendung an den Empfänger, lohnt sich regelmäßig eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Höhe der fälligen Vertragsstrafe. Deutet sich eine derartige Auseinandersetzung bereits vor Unterzeichnung der Unterlassungserklärung an, kann es sinnvoll sein, eine einstweilige Verfügung zu kassieren.
Der beste Weg ist natürlich, sich in jedem Fall eine ausdrückliche Einwilligung vor Versendung einer Werbe-E-Mail einzuholen. Dafür bietet sich das Double-Opt-In Verfahren an. Kommt es doch einmal dazu, dass eine Werbe-E-Mail an einen Empfänger versand wurde, der nicht eingewilligt hat, sollte zur Vermeidung einer Vertragsstrafe unternehmensintern ausgeschlossen werden, dass es zu einem erneuten Versand kommt.

Daniel Schätzle ist Rechtsreferendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte. Er hat in Berlin und London Rechtswissenschaften studiert.

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3 comments

  1. Lars Müller says:

    Ein wirksames Mittel zur Vermeidung solcher Streitigkeiten ist sicherlich das Führen einer Sperrliste mit E-Mail-Adressen, die auf keinen Fall angeschrieben werden sollen. Wenn ich richtig informiert bin, ist das Speichern der Adressen für diesen Zweck zulässig.

    Hilft natürlich nicht gegen versehentlichen Postversand 🙂

  2. Der Begriff ist denkbar weit zu verstehen. Nach den europäischen Richtlinien ist darunter „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen … zu fördern“ zu verstehen. Letztlich alles, was unmittelbar oder mittelbar irgendwie der Förderung des eigenen Geschäfts dient.

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