B2B-Werbeanruf für Branchenbucheintrag trotz Widerspruch auf Webseite zulässig

Auch für Marketingmaßnahmen per Telefon gilt der Grundsatz, dass hierfür die vorherige Einwilligung des Angerufenen erforderlich ist. Im B2B-Bereich besteht hiervon eine eng gefasste Ausnahme, deren Voraussetzungen jüngst durch das LG Kleve ungewöhnlich weit ausgelegt wurden.

LG Kleve: Mutmaßliche Einwilligung bereits bei Branchenüblichkeit

Das LG Kleve (Urt. v. 28.9.2022 – 6 S 81/20) hatte die Frage zu beantworten, ob ein einmaliger Werbeanruf bei einem Rechtsanwalt für einen kostenpflichtigen Branchenbucheintrag als unzulässiger Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einzuordnen ist. Eine Einwilligung des angerufenen Rechtsanwalts in die telefonische Kontaktaufnahme lag nicht vor.

Als Ausnahme vom Grundsatz der Einwilligung ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 UWG ein Werbeanruf gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer auch dann zulässig, wenn zumindest dessen mutmaßliche Einwilligung vorliegt. Diese mutmaßliche Einwilligung muss sich nach praktisch allgemeiner Rechtsauffassung auf zwei Aspekte beziehen. So muss das werbende Unternehmen aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfen, dass

  • ein vermutetes Interesse an dem zu bewerbenden Produkt bzw. der zu bewerbenden Dienstleistung besteht und
  • der Adressat der Werbung eine telefonische Kontaktaufnahme zum Zwecke der Werbung erwarte bzw. einem solchen Anruf jedenfalls aufgeschlossen gegenüberstehen wird.

Dass es im Interesse eines jeden Gewerbetreibenden liege „Werbemöglichkeiten für die eigene berufliche Tätigkeit kennenzulernen“ lässt das LG Kleve für die Annahme konkreter Umstände genügen. Dieses „geringe Maß an Belästigung durch eine solche Werbemaßnahme rechtfertigte [zugleich auch} die Annahme, der anzurufende Gewerbetreibende sei mit einem solchen Werbeanruf einverstanden.“

Die durch das LG Kleve gewählte generalisierende Betrachtung ist progressiv. Der BGH hat mit Blick auf die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung wiederkehrend verlangt, dass Werbende im Einzelfall prüfen müsse, ob ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund vorliegt, der den Werbeanruf rechtfertigen könnte (Urt. v. 25. 1. 2001 – I ZR 53/99, Telefonwerbung für Blindenwaren). Eine allgemeine Sachbezogenheit soll gerade nicht ausreichen.

Ein typischer Anwendungsfall für einen konkreten Grund ist z.B. die Herstellung eines Erstkontakts auf einer Konferenz und die hieran anknüpfende werbliche Ansprache per Telefon. Sachliche Gründe für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung können auch aus dem Bestehen einer Geschäftsbeziehung ergeben. Hier wird der Kunde womöglich sogar erwarten, von seinem Vertragspartner über bestimmte Angebote aufmerksam gemacht zu werden. Gleiches kann im Rahmen der Anbahnung einer Geschäftsbeziehung gelten. Die Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses, ohne dass zuvor ein wie auch immer gearteter Kontakt erfolgte, wurde hingegen wiederkehrend abgelehnt. Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt (Urt. v. 28.7.2004 – 6 U 78/04) genügt es für die Annahme eines mutmaßlichen Interesses eines Arztes an einem Werbeanruf gerade nicht, dass die angebotene Ware auf die „Berufsgruppe Arzt“ speziell zugeschnitten ist.

Allgemeiner Widerspruch auf Webseite führt nicht zur Unzulässigkeit des Werbeanrufs

Dass der angerufene Rechtsanwalt im konkreten Fall auf seiner Webseite der werblichen Ansprache per Telefon explizit widersprochen hatte, steht nach der Auffassung des LG Kleve der Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung nicht entgegen. Von werbenden Unternehmen könne nicht verlangt werden, nachzuprüfen, ob ein entsprechender Eintrag vorhanden sei.

Richtig ist, dass Widerruf und Widerspruch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen sind. Sie müssen dem werbenden Unternehmen zugehen, um wirksam zu werden. Auch besteht grundsätzlich keine Pflicht werbender Unternehmen, Nachforschungen anzustellen, was am Beispiel der sog. Robinsonlisten wiederkehrend bestätigt wird. Ob im Fall nicht veranlasster Telefonwerbung ein anderer Sorgfaltsmaßstab geboten sein könnte, wird durch das LG Kleve nicht beleuchtet. 

Fazit und Empfehlung: Weiterhin enge Auslegung der Ausnahme für B2B-Telefonwerbung ratsam

Der LG Kleve vertritt bei der Auslegung von § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 UWG einen wenig strengen Ansatz. Das Urteil sollte schon deshalb nicht als Freifahrtschein für nicht veranlasste Telefonwerbung im B2B-Bereich missverstanden werden. Werbende Unternehmen sind gut beraten, sich weiterhin an die Vorgaben des BGH zu halten und sich im Vorfeld werblicher Outbound-Telefonate entlang konkreter Anhaltspunkte dokumentiert Gedanken zu machen, ob der Anzurufende sowohl ein Interesse an der Leistung als auch an der Art der Werbung, nämlich mittels Telefonanruf, haben wird.

Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang zudem die datenschutzrechtlichen Informationspflichten. Im Falle der hier regelmäßig vorliegenden Fremderhebung sind die in Art. 14 Abs. 1 und 2 DSGVO enthaltenen Pflichtinformationen „längstens innerhalb eines Monats“ (vgl. Art. 14 Abs. 3 lit. a DSGVO) und im Falle der Kommunikation mit der betroffenen Person spätestens zu diesem Zeitpunkt (vgl. Art. 14 Abs. 3 lit. c DSGVO) bereitzustellen.

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