Kann eine Einwilligung wirklich erlöschen?

Ob Werbung per E-Mail, Telefax oder Anruf beim Verbraucher: Ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfänger geht rechtlich bekanntlich nichts.

So sieht es § 7 Abs. 2 Nr. 2, 3 UWG vor. Wer sich nicht daran hält, setzt sich dem Risiko von Abmahnungen und der Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen aus.

Berlin – München – Stuttgart – die Einwilligung erlischt

Unternehmen, die eine ausdrückliche Einwilligung von einem (potenziellen) Kunden erhalten haben, nutzen diese üblicherweise sehr bald. Oft geht der nächste Newsletter schon in wenigen Tagen an den neuen Abonnenten. Bisweilen bleiben neue Adressen aber zunächst ungenutzt. In der Vergangenheit sind in einigen solcher Fälle die werbenden Unternehmen von den Empfängern auf Unterlassung verklagt worden. Und die Gerichte verurteilten die Unternehmern zum Teil zur Unterlassung; Begründung: die Einwilligung sei durch Zeitablauf erloschen.

Ist es tatsächlich rechtlich unzulässig, Werbemaßnahmen zu ergreifen, obwohl bereits einige Zeit seit der Einwilligung verstrichen ist? Das Landgericht Berlin (LG Berlin vom 2.7.2004, Az. 15 O 653/03) sagt nein. Selbst bei einer erteilten Einwilligung, muss der Empfänger nur in der unmittelbar darauf folgenden Zeit mit der Zusendung einer Werbe-E-Mail rechnen. Nach zwei Jahren müsse der werbende Unternehmer eine neue Einwilligung einholen.

Das LG München (Urteil vom 8.4.2010, Az. 17 HK O 138/10) spricht sogar von einem allgemein anerkannten Grundsatz, dass eine einmal erteilte Einwilligung mit Ablauf eines längeren Zeitraums (mehr als eineinhalb Jahre) ihre Aktualität verliere.

Das LG Stuttgart (Urteil vom 31.8.2006, Az. 38 O 17/06 (KfH)) geht noch weiter und sieht einen Wegfall der Wirkung einer Einwilligung in Telefaxwerbung nach vier Wochen. Schon nach einem Monat soll also eine ausdrücklich erklärte Einwilligung nichts mehr wert sein.

Alle drei Entscheidungen lassen eine fundierte Begründung für das Erlöschen der Einwilligung vermissen. Das LG Stuttgart versucht zwar den Rechtsgedanken des § 147 Abs. 2 BGB herzuziehen. Die zitierte Norm betrifft jedoch das Zustandekommen von Verträgen und nicht einseitige Erklärungen.

Bei der Lektüre der zitierten Gerichtsentscheidungen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gerichte der Erteilung einer Einwilligung keinen Glauben schenkten, eine Beweisaufnahme scheuten und einen schnellen Weg suchten, den Fall zu beenden. In allen drei Fällen war das tatsächliche Vorliegen einer Einwilligung letztlich nicht nachgewiesen worden.

Grundsatz: Einwilligung gilt unbefristet

Bei einer Einwilligung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Kunde erklärt, in Zukunft – bis auf Widerruf – Werbung über einen bestimmten Kommunikationsweg erhalten zu wollen. Kann der Unternehmer die Abgabe einer solchen Erklärung durch den Kunden beweisen, ist seine Werbe-E-Mail oder sein Werbefax nicht rechtswidrig.

Wann erlöschen Einwilligungserklärungen?

Möchte der Kunde die Gültigkeitsdauer der Einwilligung beschränken, muss er dies so erklären.

Ein Erlöschen kann daher nur eintreten, wenn

•    der Kunde die Einwilligung widerrufen hat; es muss also eine ausdrückliche Verlautbarung des Kunden geben, dass er zukünftig keine Werbung mehr erhalten möchte. Darum geht es in den zitierten Fällen aber gerade nicht.

•    die Einwilligung wurde befristet erteilt; dies hat zur Folge, dass nach Ablauf der Frist die Einwilligung eine Zusendung von Werbung nicht mehr legitimiert.

•    die Einwilligung bedingt erteilt wurde, z.B. für nur zehn Werbe-E-Mails; danach würde die Einwilligung nicht mehr gelten.

Jedenfalls ausdrücklich werden in der Praxis solche Einschränkungen nicht vorgenommen.

Auslegung von Einwilligungserklärungen

Immerhin denkbar ist aber, solche Einschränkungen in die erteilten Einwilligungen quasi hineinzulesen. So könnte man annehmen, dass jede Werbeeinwilligung nur für einen Zeitraum von einem Jahr gelten solle, es sei denn, dass der Kunde etwas anderes erklärt.

Dafür fehlt aber in der Regel jeder Anhaltspunkt. Es ist auch nicht einsichtig, warum diese Frist ausgerechnet ein Jahr (oder 6 Monate oder 2 Jahre) betragen sollte. Es ist auch offen, ob nach dem Versand der ersten Werbung die Frist neu in Gang gesetzt wird. Warum sollte dies so sein? Warum sollte also der Unternehmer durch Versand der Werbung die Frist der Gültigkeit verlängern können?

Alles in allem, entbehrt die Annahme des generellen Erlöschens einer Einwilligung jeder rechtlichen Grundlage. Von einem allgemein anerkannten Grundsatz der Befristung von Einwilligungen kann daher keine Rede sein.

Allenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wäre es denkbar, im Einzelfall anzunehmen, dass das werbende Unternehmen sich nicht mehr auf die Einwilligung berufen kann (vgl. dazu auch OLG Stuttgart vom 22.3.2007, Az. 2 U 159/06). Dies wäre dann aber eine Einzelfallentscheidung und allenfalls anzunehmen, wenn der Kunde mit einer schnellen Aussendung von Werbung rechnen musste, tatsächlich aber jahrelang nichts passiert.

Fazit

Die Rechtsprechung zum Erlöschen von Einwilligungen steht auf wackeligen Füßen. Es ist kein Grund erkennbar, warum eine Einwilligung generell nach einer gewissen Frist erlöschen sollte.

Wer einen Altbestand von Adressen besitzt, für die ausdrückliche Einwilligungen vorliegen, muss sich von den zitierten Urteilen nicht per se schrecken lassen.

Proaktiv ist allerdings zu empfehlen, die Rechtsprechung bei der Abfassung der Einwilligungserklärungen, die die Kunden abgeben zu berücksichtigen. So ist denkbar ausdrücklich mit aufzunehmen, dass die Einwilligung bis zum widerruf des Kunden gilt. Dann ist für weitergehende Spekulationen der Gerichte über den Inhalt der Erklärungen keinen Raum. Eine Befristung kann in eine solche Erklärung nicht hineingelesen werden.

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte und Autor des Buches Online-Marketing und Recht. Näheres zu seiner Person finde Sie unter http://www.haerting.de/de/team/dr-martin-schirmbacher.

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