Autor: Jörn Fandrey. Vor zwei Jahren noch als Direct-Marketing Wunderwaffe gepriesen, ist erfolgreiches E-Mail-Marketing heute sehr viel schwieriger geworden.
Einerseits kämpfen E-Mail-Marketer untereinander um die Aufmerksamkeit der Empfänger, andererseits torpedieren Spamer dieses überaus nützliche Medium. In der Konsequenz sinkt die Gesamtakzeptanz und damit der ROI für das werbetreibende Unternehmen.
Ein mächtiges Werkzeug
Auf der Suche der Lösungen werden zurzeit viele Wege eingeschlagen. Während die einen mit mehr Technologie wie Flash- und Videomails lautere Töne anschlagen, suchen andere ihr Glück in massenhafter Generierung teils unqualifizierter Neukontakte. Dabei wird übersehen, dass bestehende Potenziale möglicherweise noch gar nicht richtig ausgeschöpft wurden. Denn E-Mail-Marketing verfügt über ein unvergleichlich mächtiges Werkzeug, das zudem noch unschlagbar preiswert ist: Testen!
Im Vergleich zu anderen Medien bieten E-Mails nämlich alle Eigenschaften für die erfolgreiche Analyse und Optimierung von Kampagnen: Schnelligkeit sowie kostengünstige Personalisierung und Individualisierung. Letztere erlauben, Mailings in unterschiedlichsten Varianten auszusenden, für die bereits innerhalb einiger Stunden aussagekräftige Ergebnisse zur Verfügung stehen – dank der Schnelligkeit des Mediums. So kann jede Kampagne schon vor der eigentlichen Aussendung optimiert werden – ein unschätzbarer, wenn nicht gar der wichtigste Vorteil, den E-Mail-Marketing überhaupt mitbringt. Tatsächlich ist es aber der Nutzen, der am häufigsten übersehen wird.
Die Belohnung
„Wozu der Aufwand“, wird sich mancher fragen. „Wir haben doch zweistellige Klickraten und unsere Umwandlungsquote kann sich auch sehen lassen.“ In der Tat klingt es zunächst nicht besonders beeindruckend, wenn man statt 7% vielleicht 8,5% Klickrate erreicht. Bei genauerer Betrachtung hingegen erschließen sich jedoch Potenziale, die niemand ungenutzt lassen wird, der auf seinen ROI achtet.
Zur Erläuterung wird hier ein kleines Beispiel zusammen mit einer Musterrechnung gezeigt:
Eines der einfachsten Elemente, das man bei einem E-Mailing testen kann, ist die Betreffzeile. Sie hat eine besondere Bedeutung, da sie wesentlich darüber entscheidet, ob die Mail überhaupt geöffnet wird. Ein aus der Praxis gegriffenes Beispiel ergab folgende Klickraten:
Klickrate
Betreffzeile A: 6,8%
Betreffzeile B: 8,2%
Betreffzeile C: 9,0%
Aufgrund der geringen Versandkosten werden E-Mailings häufig an große Verteiler geschickt. Nehmen wir an, die E-Mail wird an 100.000 Empfänger gesendet, dann ergeben sich folgende absolute Zahlen für die Reagierer:
Reagierer
Betreffzeile A: 6.800
Betreffzeile B: 8.200
Betreffzeile C: 9.000
Gegenüber Variante A animiert Betreffzeile C also 2.200 Empfänger mehr, auf das Angebot in der Mail zu klicken. Das entspricht einem Zuwachs von über 32%! Im vorliegenden Beispiel hat jeder fünfte Reagierer anschließend auch gekauft. Bei einem durchschnittlichen Umsatz von 250 € ergeben sich also folgende Umsätze:
Umsatz
Betreffzeile A: 340.000 €
Betreffzeile B: 410.000 €
Betreffzeile C: 450.000 €
Das sind zusätzliche 110.000 € – nur durch einen simplen Betreffzeilentest! Selbst bei kleineren Umsätzen ergeben sich dann immer noch respektable Resultate. Insbesondere wenn man bedenkt, wie klein der Mehraufwand für das Erstellen und den Versand zweier zusätzlicher Betreffzeilen ist. Das macht deutlich, dass es sich lohnt, jedes halbe Prozent mehr aus einer E-Mail-Kampagne „herauszukitzeln“.
Was testen?
Das vorangegangene Beispiel zeigt einen relativ simplen Test. Betreffzeilen sind leicht zu testen und haben dennoch eine verhältnismäßig große Wirkung auf das Ergebnis. Aus diesem Grund sollte man es sich zur Regel machen, stets mehrere Betreffzeilen zu entwickeln und dem Mailing einen entsprechenden Vorabtest voranzustellen.
Darüber hinaus bieten sich noch weitere viel versprechende Optionen, denn grundsätzlich lassen sich alle möglichen Bestandteile eines Mailings für einen Test nutzen. Neben inhaltlichen und gestalterischen Elementen sollte man auch externe Faktoren wie Versandzeitpunkt oder Mailingfrequenz überprüfen. Einige denkbare Beispiele wären:
Absendername und Absenderadresse
Personalisierte Betreffzeilen
Textformat vs. HTML
Headlines
Kurze vs. lange Copy
Farben
Bildwelten
Integrierte Formulare
Flash, Video-Mails
Versandzeitpunkt
Mailing-Frequenz
Dabei ist es wichtig, nicht zu viel auf einmal zu testen. Grundsätzlich lassen sich zwar mehrere Elemente gleichzeitig testen (Panel Test), allerdings müssen dann auch alle möglichen Varianten berücksichtigt werden, damit das Ergebnis aussagekräftig bleibt. Will man also gleichzeitig zwei Betreffzeilen und zwei verschiedene Absendernamen erproben, so ergibt sich folgende Testmatrix:
Absender 1 Absender 2
Betreff 1 A1, B1 A2, B1
Betreff 2 A1, B2 A2, B2
Nimmt man weitere Variablen hinzu, entstehen jedoch schnell riesige Matrizen. Diese sind dann kaum noch zu handhaben. Zudem wird eine unerwünscht große Zahl an Adressen bereits für den Vorabtest verbraucht, da die einzelnen Testgruppen nicht zu klein sein dürfen (i. d. R. mindestens 1.000 bis 2.000), um statistisch valide Ergebnisse zu bekommen.
Testplan erstellen
Deshalb sollte man in der Praxis jeweils nur wenige Variablen gleichzeitig durchspielen und weitere Tests auf folgende Mailings verteilen. Hierzu ist es sinnvoll, einen Testplan zu erstellen, der mit dem Redaktionsplan kombiniert wird. Es ist auch ratsam, die Wiederholung einzelner Tests einzuplanen, da nicht jedes Ergebnis aussagekräftig ist. So können zum Beispiel externe Faktoren wie „Biergarten-Wetter“ oder eine besondere Nachrichtenlage das Leseverhalten und damit das Testresultat verfälschen.
Unverzichtbar ist, dass alle Testgruppen möglichst zeitnah versendet werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass die jeweilige Uhrzeit großen Einfluss auf die Öffnungs- und Klickrate von E-Mailings hat. Wenige Stunden Abstand können den Ausgang bereits verfälschen. Zwischen Aussendung des Tests und der Bewertung sollten mindestens sechs Stunden liegen.
Die folgende Checkliste hilft, mögliche Fehler zu vermeiden:
– Checkliste für richtiges Testen
– Immer mit gleich großen und nicht zu kleinen Segmenten testen. (Faustregel: 100 Klicks geben 95% Sicherheit.)
– Zufällige, aber vergleichbare Testgruppen ermitteln.
– Immer gegen Vergleichsgruppen testen.
– Auf das Timing achten: Wenige Stunden zwischen der Aussendung einzelner Testgruppen verzerren das Ergebnis.
– Mindestens sechs Stunden zwischen Aussendung der Testgruppen und dem Hauptversand warten.
– „Middle-of-the-Road“-Tests, bei denen besonders gute und schlechte Reagierer ausgeschlossen werden, führen zu sichereren Ergebnissen.
– Nicht zu viele Variablen auf einmal testen.
– Einen Testplan aufstellen.
Wer darüber hinaus Analyse betreiben möchte, kann auf statistische Methoden wie z. B. logistische Regression zurückgreifen. Stark vereinfacht erklärt, wird dabei versucht, das Eintreten eines Ereignisses (hier z. B. Klick, Kauf oder ggf. Abmeldung) in Abhängigkeit von den zu testenden Variablen vorherzusagen. Die dabei eingesetzte Statistik-Software kann außerdem helfen, den Einfluss der einzelnen Variablen auf unterschiedliche Segmente innerhalb der Datenbank zu beurtei-len. Die wenigsten Verteiler sind überwiegend homogen, so dass je nach Kundentyp auch unterschiedliche Reaktionen auf die einzelnen Testszenarien möglich sind.
Regeln brechen
Optimierung ist ein Vorgang, der niemals abgeschlossen ist. Neben der bereits erwähnten Notwendigkeit, einzelne Tests zu wiederholen, können vor allem Mut und etwas Kreativität zu unerwarteten Erfolgen führen. Testgruppen bieten die Chance, ungewöhnliche Ansätze auszuprobieren, ohne dass das Risiko eines Misserfolgs den gesamten Adressverteiler betrifft. Bricht man Regeln, so sticht man aus der Masse heraus und erreicht neue Aufmerksamkeit. Gerade in einer jungen Disziplin wie dem E-Mail-Marketing gibt es noch keine verlässlichen Grundsätze. Umso wichtiger ist es, alle eventuellen Potenziale auszuloten.
Stößt man dabei auf unerwartete Ergebnisse, sollte man sich nicht scheuen, diese anzuwenden, auch wenn sie den eigenen Erwartungen oder dem spezifischen Kundenbild nicht entsprechen. Eine Todsünde ist es zum Beispiel, vom eigenen Geschmack und Leseverhalten auszugehen und diese auf den Adressverteiler zu übertragen. Ebenso sollte man nicht der Versuchung erliegen, die Abkürzung zu wählen und fremde Testergebnisse auf die eigenen Adressen übertragen. Jeder Verteiler ist anders strukturiert und reagiert somit auch unterschiedlich. Das Ziel ist, eigene Customer Insights zu gewinnen und diese so gut wie möglich zu verwerten.