Bei Abmahnung – Dilemma

Autor: Martin Schirmbacher. LG Berlin hält Beschränkung einer Unterlassungserklärung auf eine konkrete E-Mail-Adresse nach einem Spaming-Vorwurf für unzureichend.

Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin kommentiert an dieser Stelle aktuelle Urteile und Gesetze.

Wer E-Mail-Marketing betreibt, mag das kennen: Jemand beschwert sich darüber, Werbung per E-Mail erhalten zu haben. Man nimmt die betreffende E-Mail-Adresse aus allen Verteilern und anschließend stellt sich heraus, dass die betreffende Person noch mit weiteren E-Mail-Adressen im Verteiler vertreten ist. Dies ist dann weitgehend unproblematisch, wenn die erste Beschwerde des Nutzers nicht per Anwaltsbrief vorgetragen wurde. In diesem Fall würde man aufgrund der zweiten Beschwerde hin auch die andere E-Mail-Adresse aus dem Verteiler nehmen.

Hat man aber schon eine allgemeine Unterlassungserklärung abgegeben, wird für die zweite E-Mail bereits die versprochene Vertragsstrafe fällig. Daher wird vielfach geraten, Abmahnungen mit einer auf die konkrete E-Mail-Adresse beschränkten Unterlassungserklärung zu beantworten. Dieses Vorgehen war schon immer zweifelhaft und ist nun einem Werbetreibenden zum Verhängnis geworden.

Eingeschränkte Unterlassungserklärung genügt nicht!

Das Landgericht Berlin hat in einem Beschluss vom 16. Oktober 2009 (Az. 15 T 7/09) entschieden, dass im Falle unverlangter E-Mail-Werbung eine auf eine konkrete E-Mail-Adresse des Betroffenen beschränkte Unterlassungserklärung nicht ausreicht, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen.

Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen Werbung an eine E-Mail-Adresse versandt. Darauf verlangte der Inhaber der E-Mail-Adresse mit anwaltlicher Unterstützung von dem Unternehmen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Weil das Unternehmen nicht nachweisen konnte, dass sich der Betroffene tatsächlich mit der Werbung einverstanden erklärt hatte, gab sie eine Unterlassungserklärung ab. Diese war allerdings – dem obigen Rat folgend – beschränkt auf die E-Mail-Adresse des Betroffenen, an die die unverlangte Werbe-E-Mail versandt wurde.

Dem Empfänger genügte dies nicht, und er nahm das Unternehmen vor dem Amtsgericht Berlin-Lichtenberg auf Unterlassung in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Antrag mit einem nicht veröffentlichten Beschluss zunächst abgewiesen (Az. 4 C 1007/09). Die sofortige Beschwerde des Antragstellers zur nächsten Instanz hatte jedoch Erfolg.

Nach Auffassung des Landgerichts Berlin umfasst der Unterlassungsanspruch im Fall unverlangter E-Mail-Werbung nicht nur die konkrete Verletzungshandlung, sondern auch im Kern gleichartige Handlungen. Zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr sei eine unbeschränkte Unterwerfung erforderlich. Dass dies für das werbende Unternehmen ein nur schwer kalkulierbares Risiko beinhaltet, ließ das Landgericht nicht gelten. Sinngemäß meint das Gericht, dass das Unternehmen für die Folgen gerade stehen müsse, wenn es mehrere „faule“ E-Mail-Adressen in seiner Datenbank habe. Lapidar fügt das Gericht hinzu, dass dieses Risiko ja nur dann zum Tragen komme, wenn das Unternehmen weiterhin unzulässigerweise unerbetene E-Mail-Werbung versende, sich also weiterhin rechtswidrig verhalte.

Diese Argumentation ist zwar für die betroffenen Unternehmen misslich, wettbewerbsrechtlich kann man dagegen allerdings nicht viel einwenden. Der der Abmahnung innewohnende Vorwurf ist nicht die Versendung einer E-Mail an eine konkrete E-Mail-Adresse, sondern allgemeiner die Versendung von E-Mails an den Betroffenen, ohne dass dieser seine Einwilligung dafür gegeben hätte.

Problem: unsichere Adressen im Verteiler

Diese Entscheidung verdeutlicht die oben beschriebene schwierige Lage der Unternehmen: Gibt ein Unternehmen auf eine Abmahnung hin eine auf die konkrete Verletzungsform beschränkte Unterlassungserklärung ab, wird also nur die konkrete E-Mail-Adresse angegeben, beseitigt die Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht, wenn der Unterlassungsgläubiger eine abstrahierte Fassung der Unterwerfung verlangt. Wird dagegen eine allgemeine, für alle E-Mail-Adressen des Betroffenen geltende Unterlassungserklärung abgegeben, setzt man sich der Gefahr aus, wenig später die versprochene Vertragsstrafe zahlen zu müssen, wenn der Betroffene mit einer weiteren E-Mail-Adresse im Verteiler des Unternehmens eingetragen ist.

Zwar ist für einen Anspruch auf Vertragsstrafe regelmäßig Verschulden erforderlich. Die liegt nach Argumentation des Landgerichts jedoch in jedem Falle vor, weil es an dem betroffenen Unternehmen sei, seinen Verteiler „sauber“ zu halten.

Unternehmen, die „faule“ E-Mail-Adressen in Ihrer Datenbank haben, müssen dieses Dilemma daher grundsätzlich fürchten. Besonders gefährdet sind E-Mail-Adressen, die lediglich mit einem confirmed-opt-in erhoben worden sind.

Lösungsmöglichkeit

Seit Jahren ist bereits eine gewisse Skepsis der Gerichte zu beobachten, sich auf einen zu eingeschränkten Unterlassungstitel einzulassen, so dass der Beschluss des Landgerichts Berlin an sich keine große Überraschung ist.

Dennoch bedeutet dies nicht notwendig, dass der gesamte Verteiler nicht mehr nutzbar ist, wenn man eine generelle Unterlassungserklärung abgegeben hat. Am sinnvollsten scheint es mir, in die Korrespondenz mit dem Abmahnenden einfließen zu lassen, dass man davon ausgeht, dass ihm nur diese eine E-Mail-Adresse zuzuordnen ist. Gegebenenfalls kann man ihn darum bitten mitzuteilen, ob er auf anderen E-Mail-Adressen ebenfalls Werbung des Unternehmens erhält. Einen entsprechenden Anspruch auf Auskunft dürfte das Unternehmen jedoch regelmäßig nicht haben.

Für den Fall, dass der Empfänger weitere E-Mail-Adressen verschweigt, wird man ihm allerdings eine Obliegenheitsverletzung dahingehend vorwerfen können, dass er das Unternehmen nicht informiert hat. In einem solchen Falle wäre ein Verstoß gegen die abgegebene (allgemeine) Unterlassungserklärung wohl nicht schuldhaft.

Zwar ist ein solches Vorgehen gerichtlich noch nicht bestätigt worden. Das Konzept der Obliegenheitsverletzung ist allerdings allgemein anerkannt. Schließlich muss es dem Unternehmen auch möglich sein, sich gegen Missbrauch zur Wehr zu setzen.

Vorsicht auch bei Newsletter-Abmeldungen

Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich auch generell beim Abmeldungs-Management: Erhält ein Unternehmen die Bitte eines Newsletter-Empfängers, in Zukunft keine weiteren E-Mails erhalten zu wollen, dürfte dies für alle E-Mail-Adressen der betreffenden Person gelten, sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Werbung an eine zweite E-Mail-Adresse ist daher im Anschluss im Zweifel unzulässig.

Wird daher eine automatisierte Opt-Out-Möglichkeit angeboten, sollte darauf geachtet werden, dass diese so ausgestaltet wird, dass sie sich jeweils nur auf die konkrete E-Mail-Adresse beschränkt. Anderenfalls kann der Empfänger geltend machen, er habe allgemein dem Versand von Werbung an ihn widersprochen. Nötigenfalls muss auch hier Korrespondenz mit dem Betroffenen geführt werden.

Fazit

Um Probleme zu vermeiden, sollte jedenfalls im Falle von Abmahnungen darauf geachtet werden, dass der Betroffene gebeten wird, sich dahingehend zu äußern, ob er von dem Unternehmen auf anderen E-Mail-Adressen Werbung erhält.

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5 comments

  1. Ein sehr guter Beitrag! danke für diese Informationen und den Lösungsansatz.

    Laut OLG Düsseldorf, muss man generell immer beim Erwerb von E-Mail-Adressen aufpassen, den wer E-Mail-Adressen von Dritten einkauft, darf sich bei deren Nutzung nicht auf die Zusicherung des Verkäufers verlassen, dass für diese Adressen die Einwilligung zum E-Mail-Marketing vorläge. (Urteil vom 3. November 2009 OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.11.2009, I-20 U 137/09). Siehe auch: http://adressdaten.wordpress.com/2009/12/07/verwender-haftet-fur-eingekaufte-e-mail-adressen/

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