BGH: Unzulässigkeit von Feedbackumfragen eines Amazon-Händlers beim Rechnungsversand

Nach einigen Entscheidungen der Instanzgerichte zur Unzulässigkeit von Feedbackumfragen und seinem Urteil zur Werbung in Autorespondern hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich nun zur Zulässigkeit von Feedbackumfragen in Transaktions-E-Mails geäußert. Das Ergebnis dürfte für viele Online-Händler erneut unerfreulich sein. Der BGH hat die Chance zu einer interessengerechten Abwägung leider nicht genutzt. Als einzigen Ausweg wird die Bestandskundenwerbung nach § 7 Abs. 3 UWG vorgegeben, mit all ihren Einschränkungen.

Sachverhalt

Nach dem Kauf eines Ultraschallgerätes zur Schädlingsbekämpfung über die Plattform Amazon-Marketplace erhielt der Käufer direkt von dem Amazon-Händler eine Rechnung zu seinem Kauf per E-Mail mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie Ihre Rechnung im PDF Format. Vielen Dank, dass Sie den Artikel bei uns gekauft haben. Wir sind ein junges Unternehmen und deshalb auf gute Bewertungen angewiesen. Deshalb bitten wir Sie darum, wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, uns für Ihren Einkauf eine 5-Sterne Beurteilung zu geben […]“.

Der Käufer fühlte sich offenbar durch diese E-Mail belästigt und sah darin eine unerlaubte Zusendung von Werbung, die in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife.

Kein rechtswidriger Eingriff nach AG und LG

Amtsgericht und Berufungsgericht teilten die Auffassung des Käufers nicht. Zwar sahen beide Gerichte in der E-Mail und der darin enthaltenen Feedbackanfrage eine Werbemaßnahme. Allerdings beurteilten sie den dadurch erfolgten Eingriff nicht als rechtswidrig.

Bei der gebotenen Abwägung sei zu berücksichtigen, dass eine vergleichsweise geringe Eingriffsqualität vorliege und die Anfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vom Kläger getätigten Kauf stehe. Dem Verbraucher werde dadurch auch nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit anderen Produkten  aufgezwungen. Die Feedback Anfrage stehe vielmehr im Zusammenhang mit der Zusendung der Rechnung und dem konkret getätigten Kauf.

Hiergegen legte der Käufer Revision beim BGH ein.

Entscheidung

Der BGH (Urteil v. 10. Juli 2018, Az. VU ZR 225/17) sah es wie der Käufer.

Zutreffend stellte der BGH zunächst fest, dass der Käufer keinen Anspruch aus dem Wettbewerbsrecht wegen einer Verletzung von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geltend machen kann. Danach ist stets eine unzumutbare Belästigung anzunehmen, bei E-Mail-Werbung, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Allerdings kann der Empfänger einer solchen E-Mail hieraus keine eigenen Ansprüche geltend machen. Das UWG schütz den fairen Wettbewerb nicht den einzelnen Betroffenen. Daher besteht lediglich für Konkurrenten sowie Wirtschafts- und Verbraucherverbände die Möglichkeit einen Unterlassungsanspruch aus dem UWG geltend zu machen.

Allerdings kann der Adressat einer Werbe-E-Mail einen Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog geltend machen, weil die unaufgefordert zugesandte Werbe-E-Mail grundsätzlich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Adressaten eingreift.

Zweifel daran, dass es sich bei einer Feedbackumfrage um eine Form der Werbung handelt, ließ der BGH nicht aufkommen und begründete dies bejahend mit dem anerkannt weiten Verständnis des Werbebegriffes. So sahen es in der Vergangenheit auch schon einige Instanzgerichte (KG, OLG Dresden oder auch OLG Köln). Dem lässt sich wenig entgegnen.

Der BGH beschäftigte sich auch kurz damit, dass die Feedbackanfrage im Zusammenhang mit dem Rechnungsversand erfolgte. Danach stelle die nicht zu beanstandende Übersendung einer Rechnung noch keine Werbung dar. Das ändere aber nichts an dem Werbecharakter der Feedbackanfrage. Für die Annahme, die Rechnungsübersendung nehme der E-Mail insgesamt den Charakter der Werbung, sei kein Raum. Das muss man nicht so sehen, kann aber angesichts der Sichtweise eines der obersten deutschen Gerichte auch nicht ignoriert werden.

Wertungsfrage

Anders als das Wettbewerbsrecht erfordert der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB eine Abwägung widerstreitender Interessen, weil der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht rechtswidrig sein muss. Nach Ansicht des BGH geht die Abwägung aber zulasten des Amazon-Händlers.

Bei seiner Abwägung berücksichtig der BGH § 7 Abs. 2 UWG, der nun einmal stets eine unzumutbare Belästigung von ungefragt zugesandten Werbe-E-Mails annimmt.

Etwas holprig berücksichtigten die beiden Vorinstanzen dabei noch zugunsten des Händlers die Wertung des § 7 Abs. 3 UWG, der unter bestimmten Voraussetzung Werbe-E-Mails ohne eine vorherige ausdrückliche Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erlaubt. Holprigen deswegen, weil die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift im konkreten Fall nicht erfüllt waren. So argumentiert dann auch der BGH.

Gleichwohl lässt sich die Argumentation hören. Denn es ging dabei nur um die Wertung, wonach nicht jede Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung eine unzumutbare Belästigung darstellen muss. Hiervon ausgehend lässt sich nun weiter eine Abwägung vornehmen, die man auch anders als der BGH vornehmen kann.

Der BGH selbst betont, dass

  • die Beeinträchtigung vergleichsweise geringfügig ist und
  • die Feedbackanfrage einfach ignoriert werden kann.

Hinzu kommt, dass

  • die E-Mail an sich auch ohne die Feedbackanfrage an den Käufer versandt würde und
  • der Käufer sich wegen der Rechnung ohnehin mit dem Inhalt beschäftigen muss.

Dagegen wendet der BGH ein, dass der Käufer sich zumindest gedanklich mit der Feedbackanfrage beschäftigen müsse. Das steht allerdings im Widerspruch zu dem Argument, er können sie auch einfach ignorieren.

Hauptargument ist dann aus der Entscheidung E-Mail-Werbung II das Umsichgreifen dieser Werbeart, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails als zulässig erachtet würde. Damit verbindet der BGH das Argument der Ausuferungsgefahr, wie diese bei der klassischen Spam-E-Mail besteht. Hiergegen lässt sich allerdings einwerfen, dass es gerade nicht um reine Werbe-E-Mails geht, sondern um eine werbliche Äußerung in einer ohnehin zu versendenden E-Mail.

Verweis auf Bestandskundenwerbung

Schließlich verweist der BGH den Amazon-Händler darauf, doch auf die Ausnahmevorschrift für Bestandskundenwerbung nach § 7 Abs. 3 UWG zurückzugreifen. Danach ist eine Werbe-E-Mail, hier in Form der Transaktions-E-Mail eines Amazon-Händlers,  ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung zulässig, wenn

  1. der Verkäufer die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware von dem Kunden erhalten hat.
    • Das ist bei einem Amazon-Händler allerdings fraglich, weil es in erster Linie Amazon ist, das die E-Mail-Adresse erhält.
  2. die E-Mail-Werbung eigene ähnliche Produkte betrifft.
    • Daran ließe sich bei einer Feedbackanfrage zweifeln. Mittelbar lässt sich das aber annehmen.
  3. der Kunde nicht widersprochen hat.
    • Äußert der Kunde seinen Wunsch, keine Feedbackanfragen mehr zu erhalten, kommt eine Rechtfertigung im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung nach § 823 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht in Betracht.
  4. Bei Erhebung der E-Mail-Adresse und mit jeder Feedbackanfrage muss der Käufer auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen werden.
    • Offen bleibt allerdings, wie ein Amazon-Händler dies umsetzen könnte.

Schutzrichtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes

Seine rechtliche Begründung leitet der BGH mit Ausführung zum Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ein. Aus diesem folge

„ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen als solche nicht ehrverletzenden Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre“

Mit anderen Worten liegt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nur dann vor, wenn die Kontaktaufnahme entgegen dem ausdrücklich geäußerten entgegenstehenden Wunsch des Empfängers erfolgt. Dies lässt sich so verstehen, dass nur die widersprochene Transaktions-E-Mail mit Feedbackanfrage unzulässig ist.

Ein solches Verständnis liefe allerdings auf eine Opt-Out-Lösung hinaus, die der europäische Gesetzgeber in der § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 UWG zugrundeliegenden Richtlinie so nicht vorgesehen hat. Der BGH sah sich daher gezwungen, Stellung zu beziehen, ob ein Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie stets auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes darstellt. Dies bejaht er mit dem Verweis auf das Umsetzungsgebot und der sich daraus ergebenden Auslegung des nationalen Rechts am Wortlaut und Zweck der Richtlinie, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (Schutz der Privatsphäre im Bereich der elektronischen Kommunikation).

Diese Ausführungen lassen mit den oben bereits  aufgezeigten Argumenten, insbesondere der ohnehin zu versendenden Rechnungs-E-Mail, allerdings auch einen anderen Schluss zu. Denn der Schutz der Privatsphäre ist eben nur geringfügig durch die Transaktions-E-Mail tangiert, wenn die Kommunikation auch ohne den werbenden Inhalt erfolgen würde. Eine solche Wertung lässt der Beurteilungsspielraum des § 823 Abs. 1 BGB gerade zu. Der BGH hätte also auch anders entscheiden können.

Fazit

  • Mit der Entscheidung muss jede Transaktions-E-Mail mit werblichem Inhalt streng an den Anforderungen von § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 UWG gemessen werden.
  • Demnach bedarf es stets einer vorherigen Einwilligung des Adressaten, auch bei Transaktions-E-Mails mit Feedbackanfragen.
  • Jede werbliche Äußerung in einer E-Mail, sei die Äußerung noch so geringfügig, ist zu unterlassen. Denn unabhängig vom restlichen Charakter der E-Mail, bleibt es bei der Einordung der E-Mail als Werbung.
  • Streng genommen wird damit das Logo, der Hinweis auf die Homepage oder auch nur die beiläufige Erwähnung eines neuen Produktes in der geschäftlichen Korrespondenz zum Damokles-Schwert.
  • Einen Ausweg soll die Bestandskundenwerbung mit ihren strengen Voraussetzungen geben. Jedenfalls für den Amazon-Händler dürfte das aber nicht ohne weitere Zweifel an der Zulässigkeit möglich sein.

Ein differenzierterer Ansatz wäre für viele Händler wünschenswert gewesen. Der BGH hat die Chance hierzu verstreichen lassen und damit den Möglichkeiten der Direktwerbung per E-Mail einen weiteren Riegel vorgeschoben. Das sich hieran etwas ändern wird, ist nicht absehbar. Werbende sind daher dringend darauf hinzuweisen, E-Mail-Marketing ausschließlich an das Double-Opt-In-Verfahren zu knüpfen. Dies gilt jedenfalls für eine rechtlich risikofreie E-Mail-Werbung.

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