Don’t tell a friend in Berlin?

Autor: Martin Schirmbacher.  Mit Urteil vom 22. Mai 2009 hat das Amtsgericht Berlin-Mitte entschieden, dass Empfehlungs-E-Mails als Spam anzusehen sein können

Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin kommentiert an dieser Stelle aktuelle Urteile und Gesetze.

Lange Zeit war es ruhig um die tell-a-friend-Funktion vieler Websites. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg aus dem Jahre 2005 war von deutschen Gerichten zu der Empfehlungsfunktion nichts zu hören. Nun sorgen zwei Entscheidungen Berliner Gerichte für neue Diskussionen.
Mit Urteil vom 22. Mai 2009 hat das Amtsgericht Berlin-Mitte nämlich entschieden, dass Empfehlungs-E-Mails als Spam anzusehen sein können (AG Berlin-Mitte, Az. 15 C 1006/09).

Im konkreten Fall hatte ein Shopping-Club seinen registrierten Mitgliedern eine tell-a-Friend-Funktion angeboten. Wurde dort eine E-Mail-Adresse eingetragen und auf Absenden gedrückt, erhielt der Empfänger eine E-Mail mit folgendem vorformulierten Text:

„Herzlichen Willkommen, du wurdest von ____________ [Nachname und E-Mail-Adresse] zu … Deutschlands Nr. 1 Shopping-Club eingeladen. Um bei täglich wechselnden Aktionen dabei zu sein und bis zu 70 % bei Mode- und Lifestyle zu sparen, musst du dich lediglich unter folgendem Link registrieren: …“

Der Text war also vorformuliert, aus Sicht des Shopping-Clubs geschrieben und im Namen des Shopping-Clubs versendet worden.

Der Empfänger war indes kein Freund (jedenfalls nicht des Shopping-Clubs) und ließ diesen abmahnen. Das Unternehmen gab jedoch keine Unterlassungserklärung ab. Ungeschickter Weise übersandte das Portal wenige Tage später eine Erinnerungs-E-Mail und teilte mit, dass die Einladung nur noch wenige Tage gültig sei.

Dass die zweite E-Mail Spam ist, bedarf keiner Diskussion. Der Empfänger hatte durch die Abmahnung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er E-Mails mit werbendem Inhalt von dem Shopping-Club nicht erhalten möchte. Setzt sich der Betreiber darüber hinweg, ist das unerbetene Werbung per E-Mail.

Das Gericht beschäftigte sich daher auch nur noch mit der ersten E-Mail. Auch hier hat das Amtsgericht Mitte allerdings nicht viel Federlesen gemacht. Zum einen hat es festgestellt, dass die E-Mail werbenden Charakter hat. Hierzu sei nicht erforderlich, dass ein konkretes Produkt oder ein Sonderangebot beworben werde. Wenn auf den Shopping-Club als solchen hingewiesen wird, genüge dies. Dies gelte umso mehr, als sich der Shopping-Club in den E-Mails als „Deutschlands Nr. 1 Shopping-Club“ bezeichnet und „mit bis zu 70 % günstigeren Preisen bei Mode- und Lifestyle-Produkten“ warb.

Außerdem sei der Shopping-Club für die Empfehlungs-E-Mail jedenfalls als Mitstörer verantwortlich. Dies ergebe sich daraus, dass eine vorformulierte Einladung auf der Website bereitgehalten werde, wo das einladende Mitglied nur noch den Namen und E-Mail-Adresse eintragen und den Sendevorgang auslösen muss. Besondere Bedeutung hat das Gericht offenbar dem Umstand beigemessen, dass der Einladende einen Gutschein erhalte und somit dazu geneigt sein werde, nicht nur tatsächlich interessierte Freunde, sondern auch weitere Adressen einzutragen.

Der Shopping-Club ging vor dem Landgericht Berlin in Berufung, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht Berlin hat in einem Hinweisbeschluss vom 18. August 2009 deutlich gemacht, dass es sich bei der „Einladungs-E-Mail“ ohne Zweifel um Werbung handele (LG Berlin vom 18.8.2009, Az. 15 S 8/09). Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Text als „persönliche Nachricht“ deklariert worden sei.

Auch das Landgericht stellte darauf ab, dass die bestehenden Mitglieder durch die Möglichkeit, Prämien und wertvolle Gewinne zu erlangen, besonders zur Eingabe von weiteren Adressen animiert worden seien. Zudem enthalte der Text der Einladungs-E-Mail bereits Werbung für das Unternehmen.

Anschließend setzt sich das Landgericht noch mit dem Argument des Shopping-Clubs auseinander, es handele sich bei der Einladung lediglich um die erste Stufe eines Double-Opt-In-Verfahrens. Dies verwirft das Gericht, weil gerade nicht der E-Mail-Empfänger sondern der Einladende für den ersten Kontakt sorgt.

Auch das Argument, dass dem Shopping-Club eine „Überprüfung“ der eingegebenen E-Mail-Adresse nicht möglich sei, half dem Werbenden nicht. Das Landgericht meint, dass es dem Shopping-Club gerade darum gehe, eine direkte Kontaktaufnahme zu Werbezwecken unter Nutzung von E-Mail-Adressen zu haben. Diese Möglichkeit sei von dem Unternehmen initiiert, technisch möglich gemacht und durch Gutscheine und Lotterien gefördert worden.

Aufgrund der deutlichen Worte des Landgerichts hat der Shopping-Club seine Berufung zurückgenommen. Das Urteil des Amtsgerichts ist damit rechtskräftig.

Ist das nun das Ende der Tell-a-friend-Funktion?

Nein, denn viel hat sich an der Rechtslage durch die Berliner Urteile nicht geändert. Schon nach der Entscheidung des OLG Nürnberg aus 2005 war klar, dass Empfehlungs-Funktionen allenfalls in engen Grenzen zulässig sind (vgl. auch Schirmbacher, in Schwarz (Hrsg.), Leitfaden E-Mail-Marketing 2.0, 2009, Seite 436):

·    Wichtig ist vor allem, dass die E-Mail dem Empfänger als E-Mail des Empfehlenden erscheint. Dies schließt – wenn möglich – die E-Mail-Adresse mit ein.
·    Keinesfalls sollte sich der Text der E-Mail als Werbetext des Website-Betreibers darstellen. Wenn möglich sollte der Empfehlende den Text selbst formulieren und jedenfalls Änderungen vornehmen können.
·    Der Inhalt eines vorformulierten Textes der Empfehlungs-E-Mail sollte sich auf die Mitteilung über die Existenz der Website beschränken. Weitere werbende Hinweise des Unternehmens sollten möglichst unterbleiben.
·    Zusätzliche Incentives für die Einladenden, möglichst viele weitere E-Mail-Adressen einzugeben, sollte es nicht geben.

Selbst wenn diese Voraussetzungen eingehalten werden, ist nicht vollständig geklärt, ob die Rechtsprechung den Spam-Vorwurf als ausgeräumt ansehen würde. Tell-a-friend bleibt daher eine wackelige Angelegenheit. Wer bisher gute Erfahrungen mit der Empfehlungsfunktion gemacht hat, und die Mindestanforderungen einhält, muss sich von den neuen Berliner Urteilen nicht abschrecken lassen.

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3 comments

  1. Igor says:

    Eine Empfehlen-Funktion (Tell-a-friend) sollte von je her so aussehen:

    mailto:?subject=Online Empfehlung&body=Hallo%2C%20ich%20empfehle%20dir%20den%20Newsletter%20%3A%20http%3A%2F%2Fwww.example.com/abboformular.htm

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