Wer Autoresponder-E-Mails Werbung beifügt, verletzt die Rechte des Empfängers jedenfalls dann, wenn der Empfänger zuvor bekundet hat, keine Werbung erhalten zu wollen. So entschied kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH vom 15.12.2015, Az. VI ZR 134/15). Das Urteil ist rechtskräftig und hat gravierende Folgen für die werbende Kommunikation mit Kunden. Von Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte.
Was war geschehen?
Ein Kunde der SV SparkassenVersicherung kündigte per E-Mail seinen Vertrag. Die Versicherung bestätigte automatisch den Eingang der E-Mail. Die Antwort-Mail war recht knapp und informierte kurz darüber, dass die Nachricht des Absenders eingegangen sei. Am Ende der Nachricht finden sich recht unscheinbar je ein Hinweis auf einen Unwetterwarnservice per SMS und eine App der Versicherung.
Der Versicherungskunde beschwerte sich per E-Mail an die gleiche Adresse über die in der Autoresponder-Nachricht enthaltene Werbung – und erhielt – logisch – erneut eine Eingangsbestätigung mit identischer Werbung. Auf eine Sachstandsanfrage eine knappe Woche später erhielt der Versicherungsnehmer eine gleichlautende E-Mail.
Daraufhin nahm er die Versicherung auf Unterlassung in Anspruch. Nach widersprüchlichen Urteilen in den unteren Instanzen hat der BGH der Unterlassungsklage schließlich stattgegeben.
Zusätzliche Werbung macht die gesamte E-Mail zur Werbung
Der BGH hat entschieden, dass jedenfalls die letzte der drei E-Mails rechtswidrig sei. Der Kläger habe ausdrücklich geäußert, keine weitere Werbung erhalten zu wollen. Dies müsse die Versicherung akzeptieren.
Zunächst führt das Gericht aus, dass es sich überhaupt um Werbung handele. Darauf, dass die zusätzlichen Services von der Versicherung kostenfrei angeboten wurden, komme es nicht an. Auch kostenfreie Zusatzangebote, Sponsoring oder Image-Werbung seien als Werbung zu klassifizieren.
Durch die Zufügung der vier Zeilen Werbung werde auch die gesamte E-Mail zur Werbung. Dass die Eingangsbestätigung als solche versandt werden durfte, sei irrelevant. Dass man dies auch anders sehen kann, diskutiert der BGH in seiner Entscheidung nicht wirklich.
Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Empfängers aus
Das Gesetz sieht in Fällen, in denen Privatpersonen Rechte geltend machen, eine Abwägung der beteiligten Interessen vor, um zu bestimmen, ob die E-Mail tatsächlich rechtswidrig versandt wurde. Dies lässt der BGH ausdrücklich offen für die Frage, ob schon die erste Autoresponder-Nachricht rechtswidrig war. Jedenfalls der Werbewiderspruch mache die hinzugefügte Werbung in der dritten E-Mail rechtswidrig.
Für den BGH entscheidend war, dass der Empfänger diese Art der Werbung ausdrücklich abgelehnt hat und dennoch erneut Werbung enthielt. Jedenfalls im B2C-Bereich sei der geäußerte Wunsch, sich „von einem unerwünschten Eindringen von Werbung“ in den Privatbereich freizuhalten, im Ergebnis höher zu bewerten.
Eine ganze Reihe recht offensichtlicher Gegenargumente ließ der BGH unberücksichtigt. Weder wurde erörtert, welchen konkreten Aufwand das Erkennen der Werbung machte, noch hat der BGH gelten lassen, dass der Kunde ein Interesse an der Eingangsbestätigung hat.
Keine Entscheidung über erste Werbenachricht
Rechtswidrig war nach Aussage des BGH nur die dritte E-Mail. Ob die ersten beiden E-Mails inklusive Werbung versandt werden durften, ließ der BGH ausdrücklich offen. Eine eindeutige Tendenz lässt sich auch den Urteilsgründen nicht entnehmen. Einerseits nimmt der BGH Bezug zur Rechtsprechung zum „Keine-Werbung-Aufkleber“ am Hausbriefkasten. Andererseits gelten die Argumente, die der BGH bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Empfängers aufführt, auch für die erste E-Mail.
Unmittelbare Folgen für E-Commerce-Anbieter
Das Urteil hat eine Reihe unmittelbarer Folgen:
– Online-Shops und andere E-Commerce-Anbieter, die weiter in Transaktions-E-Mails werben wollen, müssen zunächst einen Prozess installieren, der eine Berücksichtigung von Werbewidersprüchen ermöglicht.
– Es müssen je zwei verschiedene Versionen an Eingangsbestätigungen, Rechnungs-E-Mails und Versandnachrichten erstellt werden und jeweils vermerkt und berücksichtigt werden, ob ein ausdrücklich erklärter Werbewiderspruch vorliegt.
– Wer widerspricht, muss auf eine Blacklist, so dass weitere Eingangsbestätigungen, die auch Werbung enthalten, an diese Adresse nicht mehr verschickt werden.
– Lassen sich diese Voraussetzungen (derzeit) technisch nicht erfüllen, muss auf Werbung in automatischen Nachrichten ganz verzichtet werden.
– Weil der BGH die Add-On-Werbung als Werbung ansieht, bedarf es wegen § 7 Abs. 4 UWG auch der Angabe einer Adresse, an die der Kunde einen Opt-Out-Wunsch richten kann.
Das Aus für Werbung in Transaktions-E-Mails?
Was bedeutet das Urteil konkret für die Werbung in Transaktions-E-Mails gegen die Kunden nicht widersprochen haben?
Zulässig ist solche Werbung in Autorespondern jedenfalls, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Kunden, etwa in die Newsletter-Werbung vorliegt. Ein Workaround könnte insofern darin bestehen, neben einem Opt-in in die Newsletter-Werbung auch eine Einwilligung in Transaktions-E-Mails abzufragen. Dies hilft dann natürlich nur bei zukünftig erklärten Einverständnissen
Zulässig ist die Werbung auch, wenn die Voraussetzungen von § 7 Abs. 3 UWG gegeben sind. Allerdings darf dann nur für solche Waren geworben werden, die dem erworbenen Produkt ähnlich sind.
Im Übrigen ist zu fürchten, dass sich Gerichte durch die BGH-Entscheidung ermutigt sehen werden, Werbung in Transaktions-E-Mails generell für unzulässig zu halten. Wer hier dagegenhalten möchte, wird argumentieren müssen, dass
– eine Ausuferungsgefahr gerade nicht greift, weil die Nachricht als solche ja zulässig sein muss,
– der Empfänger (zulässige) Nachricht ohnehin aussortieren und lesen muss,
– es Speicherplatz und Bandbreite sowieso bedarf und
– eine deutliche Trennung von Werbung und Inhalt der Nachricht gegeben ist.
Fazit
Für E-Commerce-Unternehmen ist das Urteil bad news. Sie müssen im Detail begutachten, ob insbesondere Upselling-Angebote in Transaktionsmails weiter zulässig sind. Werbewidersprüche von Kunden müssen in jedem Falle berücksichtigt werden.
Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte und Autor des Buches Online-Marketing und Recht. Seinen Blog zum Recht im Online Marketing finden Sie unter www.online-marketing-recht.de. Nähere Angaben zu seiner Person gibt es unter http://www.haerting.de/de/team/dr-martin-schirmbacher