Autor: Carsten Kraus. Wer etwas verschickt, braucht die Adresse des Empfängers. An dieser Tatsache hat sich nichts geändert, auch wenn der Kunde heute seltener per Antwortkarte oder via Call Center, dafür umso häufiger im Internet bestellt.
Durchaus gibt es aber Unterschiede in der Art und Weise, wie Adressen in den „klassischen“ Reaktionsmitteln und im Web eingetragen werden. Und es gibt Unterschiede darin, wie man dabei auftretenden Problemen begegnet.
Vertippt? Macht nix!
Das erste Problem: Die Kunden achten nicht auf Tippfehler. Wenn wir im Web generierte Adressen verarbeiten, häufen sich die „Marftina“ „Thoimas“ „Andereas“. Offenbar legen Menschen in Web weniger Wert auf den eigenen Namen als im „realen“ Leben – oder es ist einfach Unvermögen, sie können viel schlechter tippen als Antwortpostkarten ausfüllen. Straßen- und Ortsschreibweisen sind in ähnlicher, oft noch schlimmerer Weise verunstaltet.
Kein Vertrauen, keine Daten
Viele Interessenten wollen auch erst ausprobieren, wie alles funktioniert. Manchmal verlangt ein System aber die Adress-Eingabe, bevor der nächste Schritt probiert werden kann. Statt der Adresse werden dann einfach wilde Zeichenfolgen eingegeben; oder „Dagobert Duck“, „Ali Baba“ und „Heinz Mustermann“ müssen mit ihrem guten Namen herhalten. Was auch immer wieder zu beobachten ist, sind Eingaben wie „Vorname: keine“ „Nachname: Angabe“.
Onkel Webshop wird nicht böse
Persönlicher Kontakt schafft Hemmschwellen gegen Unhöflichkeiten oder Betrug. Wer hätte schon bei Tante Emma geklaut? Heute, im Kaufhaus, sind elektronische Sicherungen notwendig, weil die Hemmschwellen niedriger sind. Das Internet ist noch unpersönlicher; die Hemmschwelle, Fehler stehen zu lassen (siehe oben: Tippfehler) oder sogar bewusst unrichtige Angaben zu machen, sinkt daher weiter.
Adress-Fehler und ihre Wirkung
Bei einer E-Mail-Adresse ist ein falscher Buchstabe fatal – die Mail kommt nicht an, im schlimmsten Fall landet sie bei jemand anderem. Post-Adressen sind etwas toleranter. Trotzdem führen falsch geschriebene Orte, Straßen und Postleitzahlen oft zu längeren Laufzeiten. Und während der Versand einer E-Mail weniger kostet als ein Gummibärchen, kann der Gegenwert einer Paket-Gebühr schon einen erheblichen Anteil des Warenwerts ausmachen – schade also, wenn die Sendung an Dagobert Duck rausgegangen ist und unzustellbar zurückkommt. Fast noch schlimmer: Unzustellbare Infopost-Sendungen ohne Vorausverfügung („falls unzustellbar, zurück“) können von der Post weggeworfen werden. Wenn Sie also dem vermeintlichen Interessenten in der Folge die nächsten zwei Jahre lang Kataloge schicken, kann das leicht einige Euro kosten.
„Fantasienamen à la Dagobert Duck sind an sich kein Problem“, könnte man denken, „merkt man ja“. Aber das Ziel fast jeder Shop-Installation ist es, alle Prozesse so weit wie möglich zu automatisieren. Es gibt also keinen Menschen, der etwas bemerken könnte. Damit nun nicht die zum Ausprobieren bestellten fünf Farbfernseher an Heinz Mustermann in Musterstadt rausgehen, muss der Computer selbst schlau werden – und solche zweifelhaften Bestellungen aussortieren oder zumindest einmal an einen Menschen weiterleiten.
Was kann man tun?
Psychologische Gegenmaßnahmen
Schaffen Sie Vertrauen, Ernsthaftigkeit und eine persönliche Beziehung. Fragen Sie Daten erst dann ab, wenn der Kunde sieht, welchen Vorteil er dadurch bekommt. Dies ist wohl der grundlegendste Ratschlag, denn er schafft Ihnen nicht nur weniger Adress-Probleme, sondern auch grundsätzlich zufriedenere Kunden. Leider ist dies nicht immer einfach, denn zuweilen ist kein Vorteil für den Kunden erkennbar. Gratis-Mail-Systeme wollen z.B. die Hobbies des Kunden nicht wissen, weil sie mit ihm flirten wollen; sondern weil sie ihren Werbetreibenden gezielte Banner-Platzierung ermöglichen möchten. Da fällt die Nutzen-Argumentation dann schwer…
Tippfehler-Hilfe
Ob der Straßenname richtig geschrieben ist und die Postleitzahl stimmt, muss heute nicht mehr der Postbeamte kontrollieren: Software-Module können auf Ihrem Server installiert werden und prüfen gleich bei der Eingabe auf stimmige Daten. Vielleicht wird stillschweigend korrigiert. Ich empfehle bei stärkeren Abweichungen jedoch immer eine Rückmeldung an den Kunden: „Erfahim Kischon Straße in Berlin nicht gefunden – meinen Sie vielleicht die Ephraim-Kishon-Straße?“
Spaßvogel-Blockade
Gibt jemand als Name „Dagobert Duck“ an, ist eines klar: Seinen richtigen Namen will er (noch) nicht preisgeben. Meine Empfehlung: Nicht gleich meckern, nicht blockieren, erst mal abwarten. Lassen Sie ihn/sie ausprobieren, was der Shop als nächstes tut. Direkt bevor der teure Katalog in die Post geht, die Bestellung ausgeliefert oder der kostenpflichtige Dienst freigeschaltet wird, reagieren Sie, indem Sie Ihre Software nochmals nach der richtigen Adresse fragen lassen; in Zweifelsfällen lassen Sie sich eine Telefonnummer geben oder akzeptieren die Zahlung nur per Kreditkarte.
Betrugs-Blocker (1)
Sie liefern eine physische Ware aus, die an die Adresse des Kunden zugestellt wird? Dann ist das Web nicht viel anders als die Postkarten-Bestellung: Es gibt auch im „klassischen“ Versandhandel notorische Nichtzahler, „Berufs“-Reklamateure und Ansichtssendungs-Kleiderauftrager. (Dass diese Gruppen im Internet noch weniger Hemmungen haben, hatte ich oben schon erläutert). Hier steckt der Negativ-Effekt für Sie nicht in unzustellbaren Adressen – es reicht also nicht, die Dagobert Ducks zu identifizieren und die Postleitzahl richtig zu stellen. Vielmehr müssen Sie eine (datenschutzgerechte!) Negativ-Liste aufbauen und für diese Personen bestimmte Vorteile sperren, z.B. Lieferung nur noch gegen Vorauszahlung, oder Ware darf nicht getragen sein (durch das neue Fernabsatz-Gesetz ist ein genereller Ausschluss des Rückgaberechts nicht mehr möglich). Im Extremfall nehmen Sie gar keine Bestellung mehr von solchen Kunden an.
Ergänzend zu einer eigenen Negativ-Liste können Sie online auf Bonitätsprüfungs-Daten zurückgreifen, z.B. von der Creditreform. Damit blocken Sie auch solche Nichtzahler, die bei Ihnen selbst noch nicht auffällig geworden sind. Doch Vorsicht: Auch ein solventer Kunde kann ein unrentabler Schnorrer sein. Die eigene Negativ-Liste brauchen Sie also zusätzlich.
Betrugs-Blocker (2)
Noch etwas schwieriger wird es, wenn der Kunde keine physische Ware erhält, sondern nur z.B. Zugang zu einer kostenpflichtigen Information oder Online-Dienstleistung. In der Regel wird hier einfach die Vorauszahlung per Kreditkarte oder Paybox vorgeschaltet, da alle anderen Maßnahmen umgangen werden können: Denn selbst wenn Sie das aktuellste Verzeichnis der Einwohnermeldeämter hätten – was hindert einen böswilligen Betrüger daran, eine fremde Adresse aus dem Telefonbuch abzutippen?
Die Freischaltung erst nach Eingabe eines Passworts, das per E-Mail zugeschickt wird, stellt zumindest sicher, dass der Anwender eine korrekte E-Mail-Adresse hinterlässt. Aber böswillige Betrüger schalten mehrere gmx-, hotmail-, usa.net- oder anderen Alias-Adressen hintereinander – wollen Sie denen im Ernst über verschiedene Staatengrenzen hinterherrennen?
Kostet die Zugangsgewährung Sie nichts oder nur einen winzigen Bruchteil der Kauf- oder Zugangs-Preise? Dann schlage ich vor, die Prüfung im Zweifel für den Kunden durchgehen zu lassen: Lieber einmal einen Betrüger nicht geblockt als einen echten Kunden am Kauf gehindert.