Kammergericht lässt Zähne des Spam-Krokodils nachwachsen

Das LG Berlin hat vor gut einem Jahr den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen eine Unterlassungsklage wegen unzulässiger E-Mail-Werbung zugelassen. Der Rechtsmissbrauch ergab sich aus der Beteiligung des Dienstes Spam-Krokodil, der die Klägerin weitgehend vom Kostenrisiko befreite. Das Gericht sah das Geschäftsmodell des Dienstes als rechtsmissbräuchlich an. Das Kammergericht in Berlin sah dies nun anders (Urt. V. 5.9.2017, Az. 5 U 150/16).

Was ist Spam-Krokodil?

Spam-Krokodil ist ein Dienst der die rechtliche Verfolgung von unerlaubter E-Mail-Werbung letztlich finanziert. Kunden des Dienstes melden Fälle unerlaubter E-Mail-Werbung an den Dienstleister. Dieser vermittelt sodann eine anwaltliche Vertretung. Die vermittelten Anwälte treten nach außen mit Vollmacht des betroffenen Kunden auf und leiten rechtliche Schritte ein. Hierbei sollen dem Kunden keine Kosten entstehen. Im Gegenzug würden etwaige spätere Vertragsstrafen an den Dienst abgetreten. Hiervon würden 25 Prozent an wohltätige Einrichtungen gespendet.

Zwischen Dienst und vermittelten Anwälten besteht offenbar eine Kooperationsvereinbarung. Auf der Seite von Spam-Krokodil heißt es:

Die Durchsetzung Ihrer Ansprüche erfolgt ausschließlich durch die von Ihnen mandatierte Rechtsanwaltskanzlei, die Ihnen bei Vertragsschluss zugewiesen wird. Die Leistung des Spam Krokodils beschränkt sich auf die Finanzierung.

Das muss so verstanden werden, dass das Geschäftsmodell nicht in Betracht kommt, wenn der Kunde mit einem eigenen, unabhängig von dem Dienst, ausgewählten Anwalt eine Verfolgung seiner Rechtsansprüche begehrt.

Was sagt das LG Berlin?

Das LG Berlin (Urt. v. 20.9.2016, Az. 15 O 6/16) war davon überzeugt, dass der Dienst allein dazu diene, um für Anwälte Mandanten anzuwerben und deren Rechtsposition in erster Linie zu Gebührenzwecken zu nutzen. Ein derartiges Vorgehen sei  rechtsmissbräuchlich. Den Rechtsmissbrauch rechnete das Gericht der Klägerin zu.

Maßgebliche Begründung des Gerichts war, dass es Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Dienstes hatte. Zum eine ergebe eine Prozessfinanzierung bei Unterlassungsansprüchen keinen Sinn, weil es an einer Forderung fehle, von deren Durchsetzung der Finanzierer profitieren könne. Zum anderen erscheine es wenig plausibel, dass ein Unternehmen (der Dienstleister) sich darauf verlasse, aus etwaigen Vertragsstrafen Einnahme zu generieren. Die Schwierigkeiten, auf dem Weg zur Durchsetzung einer Vertragsstrafe stünden außer Verhältnis zu den zu erwartenden Einnahmen.

Das Gericht leitete daraus ab, dass das Geschäftsmodel nur den vermittelten Kooperationsanwälte zugute komme. Damit handle es sich um ein Geschäftsmodell, welches allein dazu diene, erstattungsfähige Rechtsanwaltsgebühre zu generieren.

Was entgegnete das KG?

Zunächst betont das Gericht, dass es für die Zulässigkeit der Klage unerheblich sei, ob die Rechtsverhältnisse zwischen Klägerin oder vermittelten Anwälten jeweils zum Dienstleister rechtliche Defizite aufweisen würden. Anhaltspunkte für eine unwirksame Vollmachtserteilung an die vermittelten Rechtsanwälte bestünden zudem nicht. Auch sei nicht erheblich, ob Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes oder des anwaltlichen Berufsrechts verletzt seien.

Sodann setzte sich das Gericht mit der Frage des Rechtsmissbrauchs auseinander. Dabei beschäftigte sich das Gericht mit etwaigen sachfremden (und damit rechtsmissbräuchlichen) Interessen der Klägerin auseinander. Solche seien auf Seiten der Klägerin überhaupt nicht ersichtlich. Dies verfolge allein ein Unterlassungsinteresse („Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Unterbindung belästigender E-Mail-Werbung). Insbesondere sind keine Profitmöglichkeiten für die Klägerin erkennbar. Vielmehr habe sie bereits vorab etwaige spätere  Vertragsstrafenforderungen an Spam Krokodil abgetreten. Das hiervon Teile gespendet werden würden, sei unerheblich.

Etwaige sachfremde Interessen der Rechtsanwälte oder von Spam Krokodil seien dagegen keine der Klägerin und ihr mangels Rechtsgrundlage nicht zuzurechnen. Vom ökonomisch-vernünftigen Standpunkt der Klägerin aus betrachtet sei es nur folgerichtig und sachgerecht, die gewünschte Unterbindung mit keinerlei Kostenrisiko bzw. möglichst geringem Kostenrisiko zu verbinden.

Anders als das Landgericht setzt sich das Kammergericht damit gar nicht mit dem Geschäftsmodell von Spam-Krokodil auseinander, weil eine Zurechnung nicht in Betracht kommt.

Was noch?

Das Urteil enthält noch einige weitere Aspekte, die bei Fällen unverlangter E-Mail-Werbung immer wieder relevant sind:

a) Eine ausreichend konkrete Einwilligungserklärung muss erkennen lassen, dass

– die Erklärung ein Einverständnis darstellt und

– welche Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmer erfasst werden.

b) Das werbende Unternehmen haftet regelmäßig. als Störer, wenn die fragliche E-Mail nicht selbst versandt wurde, es sei denn, es kann darlegen und nachweisen, dass es den Versand nicht (auch nicht mittelbar) veranlasst hat.

c) Die Geschäftsführer des werbenden Unternehmens können ebenfalls als Störer haftbar gemacht werden, es sei denn, sie können darlegen und nachweisen, dass ihr Verantwortungsbereich nicht betroffen ist.

d) Der Gegenstandswert der Abmahnung bei unerbetener E-Mail-Werbung beträgt 3.000,- Euro, wenn die Abmahnung allein auf den Unterlassungsanspruch des werbenden Unternehmens gerichtet ist.

Ist das letzte Wort gesprochen?

In dem vorliegenden Fall ist die Revision nicht zugelassen. Mit der Entscheidung des KG dürfte es sehr schwer fallen, Unterlassungsansprüchen mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begegnen, weil deren Durchsetzung von Spam-Krokodil finanziert wird.

Gleichwohl hat das Gericht die Zulässigkeit des Geschäftsmodells an sich nicht bewertet. Insbesondere Verstöße gegen anwaltliches Berufsrecht und das Rechtsdienstleistungsgesetz sind nicht ausgeschlossen.

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