Spamverbot in der Schweiz – Nur bei automatisierter Massenwerbung

Bekanntlich ist das deutsche Wettbewerbsrecht kompromisslos, wenn es um die Frage zulässiger E-Mail-Werbung geht. Fehlt es an der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers, ist der Versand stets unzulässig. Eine Ausnahme mit strengen Voraussetzungen gilt nur für die Bestandskundenwerbung. Wagt mein einen Blick zu unseren eidgenössischen Nachbarn, scheinen sich dagegen mehr Spielräume zu ergeben.

Nach Art. 3 Abs. 1 lit. o des Schweizer Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb handelt insbesondere unlauter, wer:

Massenwerbung ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch sendet oder solche Sendungen veranlasst und es dabei unterlässt, vorher die Einwilligung der Kunden einzuholen, den korrekten Absender anzugeben oder auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit hinzuweisen; […]

Auch danach bedarf es für die Werbung per E-Mail einer vorherigen Einwilligung. Das Merkmal „ausdrücklich“ fehlt dagegen. Dieses hatte der deutsche Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG formuliert, um klarzustellen, dass eine mutmaßliche Einwilligung oder eine Einwilligung aufgrund schlüssigen Verhaltens nicht ausreichend ist. Es bedarf stets eines echten Opt-Ins. Letztlich wird das aber auch in der Schweiz so gesehen.

Spannender ist das Merkmal „Massenwerbung“. Die Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) hatte sich im März mit diesem Begriff auseinandergesetzt (Entscheid Nr. 172/20). Danach sei die Automatisierung des nachfolgenden Versandes entscheidend.

Sachverhalt

In dem Verfahren beschwerte sich ein Empfänger zweier Werbe-E-Mails, weil er niemals dem Empfang zugestimmt habe. Das werbende Unternehmen wandte dagegen ein, dass es sich um keine Massenwerbung handle. Insbesondere handelte es sich lediglich um einzelne E-Mails. Zudem war die Adresse des Empfängers im Internet öffentlich auffindbar.

Unterstützung für seine Sichtweise erhielt der Werbende von der Staatsanwaltschaft. Denn die Angelegenheit war auch Gegenstand polizeilicher Ermittlungen und eines Strafverfahrens. Im Rahmen einer polizeilichen Einvernahme stellte sich heraus, dass die fraglichen E-Mails an etwa 50 Empfänger versandt wurden, deren E-Mail-Adressen zuvor über ein Branchenverzeichnis ermittelt wurden. Angesichts der vergleichsweise geringen Empfängeranzahl ging die Staatsanwaltschaft von einem relativ großen menschlichen Aufwand aus, damit die Werbe-E-Mails versendet werden konnten. Massenwerbung würde danach nicht vorliegen.

Entscheid der Lauterkeitskommission

Den Sachverhalt beurteilte die Lauterkeitskommission jedoch anders. Dabei griff sie auf eine Gesetzesbegründung zurück. Nach dieser umschreibt der Begriff der Massenwerbung solche Werbung, die automatisiert erfolgt, also ohne maßgeblichen menschlichen Aufwand. Dieser „qualitative Ansatz“ knüpft folglich an den eigentlichen Vorgang des Versendens an. Dagegen sei nicht erkennbar, dass das die Art und Weise, wie die E-Mail-Adressen ermittelt werden, irgendeine Rolle spiele.

Erfasst werde demnach auch der einmalige automatisierte Versand einer geringen Anzahl von E-Mails. Wird der Versand dagegen von Hand (also per Mausklick auf „Senden“) vorgenommen, sei das Merkmal des Massenversandes nicht erfüllt. Auch die individualisierte Kundenansprache – bspw. mittels persönlicher Anrede – könne Massenwerbung darstellen, wenn der Versand automatisiert organisiert sei.

Die SLK ging hier von einem automatisierten Versand aus. Dafür sprachen unpersönliche Ansprache verbunden mit allgemeinen, unpersönlichen Inhalten und Botschaften. Anhaltspunkte für einen händischen Versand ergaben sich nicht. Folglich lag ein Fall der Massenwerbung vor.

Fazit

Der Entscheid der Lauterkeitskommission ist nicht mit einer Gerichtsentscheidung gleichzusetzen. Es handelt sich letztlich nur um eine Empfehlung an Werbetreibende. So lautet der Beschluss:

„Der Beschwerdegegnerin wird empfohlen, dem Beschwerdeführer keine WerbeEMails mehr zuzusenden.“

Derartige Empfehlungen haben jedoch in der Schweiz Auswirkungen auf zukünftige Entscheidungen der Gerichte. Für Unternehmen, die im DACH-Raum – und damit auch in der Schweiz – werben, kann es sich aber lohnen, die etwas andere Handhabung des Spamverbotes in der Schweiz zu beachten:

  • Klar ist zunächst, Werbung per E-Mail bedarf grundsätzlich der vorherigen Einwilligung des Empfängers. Das gilt in der Schweiz wie auch in Deutschland (und auch in Österreich).
  • Das gilt erst recht, wenn die Werbe-E-Mails mittels Mailling-Dienst versand werden. Gleiches gilt, wenn die Werbe-E-Mails (unabhängig von der Anzahl der Empfänger) mittels E-Mail-Client und Verteilerliste versandt werden.
  • Nach deutschem Recht spielt es keine Rolle, ob eine einzelne oder mehrere einzelne Werbe-E-Mails nur händisch als persönliche Nachricht verpackt versendet werden. Erscheint die betreffende E-Mail beim Empfänger als Werbung, greift das Spamverbot. Allenfalls persönliche Nachrichten an bekannte Geschäftskunden können in Einzelfällen als bloße Geschäftskommunikation eingestuft werden. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, da dei Schwelle zur Werbe-E-Mails nicht besonders hoch ist.
  • In der Schweiz dagegen lassen sich Werbe-E-Mails auch ohne Einwilligung des Empfängers versenden, solange es sich um keine Massenwerbung handelt. Dazu muss ein händischer Versand für jede einzelne E-Mail erfolgen. Große Sprünge lassen sich damit zwar nicht machen. Gerade bei exklusiven Angeboten für einen kleineren Kundenkreis ist solch eine Verfahrensweise eine denkbare Option.
  • Allerdings muss im Zweifel später ein Nachweis über einen händischen Versand gelingen. Dies gelingt etwa, indem die E-Mail tatsächlich als persönliche und individuelle Nachricht formuliert wird.
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