Unverlangte E-Mail-Werbung: Keine Beschränkung der Unterlassungserklärung auf spezifizierte E-Mail-Adressen

Nach einer Entscheidung des Landgerichts Hagen muss die abzugebende Unterlassungserklärung nach einer unverlangten E-Mail-Werbung nicht auf bestimmte E-Mail-Adressen beschränkt sein. Unternehmen, die Werbung per E-Mail versenden, wird damit eine kaum schwere Bürde auferlegt. Von Rechtsanwalt Daniel Schätzle, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin.

Grundsätzlich Einwilligung und Dokumentation

Trotz einer anderslautenden Entscheidung aus München existiert ein vorherrschender Konsens, dass mittels Double-Opt-In-Verfahren eine, für eine zulässige E-Mail-Werbung erforderliche, vorherige ausdrückliche Einwilligung nachweisbar eingeholt werden kann. Wer zudem für eine ordentliche Dokumentation der eingeholten Einwilligungserklärungen sorgt, der hat schon fast alle Hürden einer zulässigen E-Mail-Werbung genommen. Er befindet sich in einer recht sicheren Ausgangsposition und die Entscheidung des LG Hagen müsste gar nicht weiter Interessieren.

Schwieriger wird es, wenn sich herausstellt, dass die vorgenommene Dokumentation für den Nachweis der Einwilligung nicht ausreichend ist oder eine solche tatsächlich gar nicht vorliegt. Problematisch ist zudem, wenn man Werbung per E-Mail an „Bestandskunden“ versendet und sich vermeintlich der Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 UWG zuordnet. Dessen Voraussetzungsmerkmal „ähnliche Waren“ ist höchst umstritten und nur selten kann man sicher sein, dass die Ausnahme tatsächlich greift.

Wer Werbung per E-Mail versendet, ohne eine vorherige ausdrückliche Einwilligung eingeholt zu haben, sieht sich Unterlassungsansprüchen der Empfänger ausgesetzt. Gleiches gilt letztlich auch dann, wenn man das tatsächliche Vorliegen einer Einwilligung, mangels ausreichender Dokumentation, nicht nachweisen kann oder fälschlich davon ausgeht, dass die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG greift. Nur durch Abgabe einer mit Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung kann dann die Wiederholungsgefahr weiterer unverlangter E-Mail-Werbung ausgeräumt werden.

Sachverhalt

Dem entsprechend zeigte sich das werbende Unternehmen in dem vor dem LG Hagen verhandelten Sachverhalt mangels vorliegen einer Einwilligung einsichtig und gab vorgerichtlich eine Unterlassungserklärung ab, die auf die betroffene E-Mail-Adresse beschränkt war. Zudem wurde sogar angeboten, die Unterlassungserklärung auf weitere E-Mail-Adressen der Klägerin auszuweiten, die diese benennt. Dies genügte der Klägerin jedoch nicht. Vielmehr begehrt sie eine Unterlassungsverpflichtung dahingehend, dass generell keine Werbung mehr an irgendwelche E-Mail-Adressen der Klägerin versendet wird und klagte.

Umfangreiche Unterlassungserklärung

Das Gericht stimmte dem zu. Die vorgerichtlich abgegebene Unterlassungserklärung lasse die Wiederholungsgefahr nicht vollständig entfallen. Es bleibe das Risiko der unverlangten Zusendung von E-Mail-Werbung bestehen, wenn die Beklagte dafür etwaige E-Mail-Adressen der Klägerin unter einer anderen Domain verwendet. Die Auffassung der Beklagten, es sei Sache der Klägerin, dieses restliche Risiko selbst zu beseitigen, indem die Klägerin die Beklagte immer aktuell über ihre jeweiligen E-Mail-Adressen informiere, damit sie aus den Adresslisten der Beklagten gelöscht werden könnten, überzeuge nicht. Sie liefe praktisch auf eine mit der Rechtslage nicht vereinbare Widerspruchslösung hinaus, bei der der Adressat die Versendung an bestimmte Adressen verbieten müsse.

Das Gericht argumentiert zudem, dass die Klägerin eine Adressliste führen müsse, in der nur Empfänger enthalten sind, deren Einverständnis tatsächlich vorliege. Wenn dies der Fall ist, laufe die Beklagte gar nicht Gefahr, erneut Werbung per E-Mail an die Klägerin zu versenden.

Kritische Folgen

Auf den ersten Blick scheint das Gericht hier eine völlig nachvollziehbare und letztlich interessengerechte Entscheidung getroffen zu haben. Für werbende Unternehmen hat die Entscheidung jedoch weitreichende praktische Folgen.

Denkbar ist etwa, dass ein Mitarbeiter des Unternehmens bereits zu einem früheren Zeitpunkt sich für den Newsletter des Unterlassungsschuldners angemeldet hat. Hat er dabei eine E-Mail-Adresse verwendet, deren Domain derjenigen entspricht, die die Unterlassungserklärung ausgelöst hat (z.B. info@xyz.de und müller@xyz.de), dürfte es dem werbenden Unternehmen leicht möglich sein, diese für zukünftige Werbeaktionen auszufiltern. Man wird wohl davon ausgehen müssen, dass die frühere Einwilligung des Mitarbeiters nach der Unterlassungserklärung nicht mehr gelten soll. Schwieriger wird es jedoch, wenn das Unternehmen weitere Domains für E-Mail-Adressen verwendet. Das werbende Unternehmen müsste nach der Entscheidung des LG Hagen nämlich sicherstellen, dass der Newsletter nicht an diese Domains versendet wird (z.B. müller@abc.de). Ohne Kenntnis dieser Domains dürfte dies nur gelingen, wenn bei der Newsletteranmeldung auch der Firmenname abgerufen wird.

Ähnlich verhält es sich, wenn ein Mitarbeiter des Unternehmens Waren von dem werbenden Unternehmen kauft und in Folge dessen unter Anwendung der Ausnahme in § 7 Abs. 3 UWG E-Mail-Werbung für ähnliche Waren erhält. Soll in diesem Fall die Unterlassungserklärung wie ein Widerspruch entsprechend § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG wirken?

Zudem stellt sich die Frage, wann eine E-Mail-Adresse noch dem betroffenen Unternehmen zugeordnet werden kann. Denkbar ist die Einrichtung einer GoogleMail-Adresse durch einen Mitarbeiter (z.B. müller@googlemail.com), um den firmeneigenen YouTube-Kanal zu betreiben. Stellt unverlangte E-Mail-Werbung an diese Adresse Spam an das Unternehmen dar, mit der Folge eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR?

Unproblematisch dürfte es dagegen sein, wenn nach Abgabe der Unterlassungserklärung eine Newsletteranmeldung durch einen Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens erfolgt. Ein Versand ist dann eben keine Werbung ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung, sonder mit Einwilligung. Diese muss jedoch in dem etwaigen Verfahren über die Verhängung eines Ordnungsgeldes nachgewiesen werden. Nicht nur deswegen ist stets auf eine ordentliche Dokumentation der eingeholten Einwilligung zu achten.

Werbenden Unternehmen bleibt zu raten, erst gar nicht in die Unterlassungssituation zu geraten. Das bedeutet, es ist immer auf das Vorliegen einer vorherigen ausdrückliche Einwilligung zu achten und eine ordentliche Dokumentation vorzuhalten. Sollte es doch einmal zu einem Unterlassungsanspruch kommen, bleibt nur zu raten, mit Nachdruck auf die Bekanntgabe aller verwendeten E-Mail-Domains zu bestehen.

Daniel Schätzle ist Rechtsanwalt in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte. Näheres zu seiner Person finden Sie hier.

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3 comments

  1. ogtipps says:

    Die deutsche Rechtssprechung soll einer verstehen. Schön das es mal jemand genauer erklärt hat. Auch wenn das nicht gerade beruhigender ist. Es gibt mittlerweile so viel Fallen im Internet, dass fast jedes Internet Business ein Risiko birgt.

    Gruß Sven

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