Von der Pleite eines Dienstleisters – Zugriff auf die Kundendaten, wenn der E-Mail-Marketer insolvent ist?

Ein Schreckensszenario wurde Wirklichkeit: Über Jahre hatte eine Unternehmensgruppe mit einem E-Mail-Marketing-Dienstleister zusammen gearbeitet. Der gesamte Newsletter-Verteiler und viele weitere Daten lagen bei diesem Unternehmen. Aktuelle Kopien des Verteilers hatte das Unternehmen nicht. Plötzlich die Nachricht von der Insolvenz des Anbieters – und der Insolvenzverwalter verweigerte die Herausgabe der Daten.
Von Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin.

Dieses Szenario war Gegenstand von Gerichtsentscheidungen in Düsseldorf. Am Ende ist es noch einmal gut gegangen: Ein jetzt bekannt gewordenes Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf sprach dem Unternehmen einen Anspruch auf Herausgabe dieser Daten zu (Urteil vom 27.9.2012, Az. I-6 U 241/11).

 

Sachverhalt

Die klagende Unternehmensgruppe hatte eine Agentur unter anderem mit dem Versand von Newslettern beauftragt. Dazu hatte das Unternehmen dem Marketer selbstverständlich die Kunden-E-Mail-Adressen übermittelt. Auch alle An- und Abmeldungen und ein Double-Opt-in-Verfahren liefen über Server des Dienstleisters. Die Marketingabteilung des Unternehmens hatte zwar über ein Webinterface bis zur Kündigung des Vertrages Zugriff auf den Verteiler und konnte händisch Eintragungen vornehmen. Eine aktuelle Kopie der Daten hatte das Unternehmen jedoch nicht.

Als der beklagte Werbe-Dienstleister Insolvenz anmeldete, verlangte der Kläger die E-Mail-Adressen und sonstige Daten heraus und war darauf für weitere Werbemaßnahmen natürlich dringend angewiesen. Dem kam der Insolvenzverwalter aber nicht nach.

Er stellte sich auf den Standpunkt, dass die Daten aufgrund eigener Tätigkeit der Agentur erhoben und erlangt wurden und deshalb nicht herausgegeben werden müssten.

 

Entscheidung

Das Düsseldorfer Gericht hat klargestellt, dass ein Anspruch auf Herausgabe der Kundendaten des werbenden Unternehmens gegen den E-Mail-Dienstleister besteht.

Bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hatte das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 3.8.2010, Az. 35 O 66/10) zu Gunsten des Klägers die Herausgabe angeordnet. Das hat jetzt auch das Hauptsachverfahren vor dem OLG Düsseldorf mit Urteil vom 27.9.2012 (Az. I-6 U 241/11) bestätigt.

Das Gericht ordnet den zwischen den Parteien geschlossenen Werbeagentur-Vertrag zunächst als Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 667 BGB) ein, der unter anderem den E-Mail-Versand von Newslettern umfasst.

Aus § 667 Alt. 1 BGB ergibt sich, dass der Beauftragte dem Auftraggeber, alles was er zur Auftragsausführung erhält, herauszugeben hat. Diese Vorschrift stellt laut Gericht ein Aussonderungsrecht im Sinne von § 47 InsO dar.

Ausschlaggebend ist, dass – jedenfalls wirtschaftlich und technische Feinheiten fortgelassen – die Unternehmensgruppe der Agentur die Kundendaten zum Zwecke des E-Mail-Marketings weitergeleitet hat. Die Daten sind über die eigene Website erhoben worden. Dass die Agentur die technische Abwicklung vorgenommen hat, steht dem nicht entgegen.

Zur Begründung wird weiter ausgeführt, das klagende Unternehmen sei gegenüber den Newsletter-Empfängern als allein Daten erhebende Stelle aufgetreten. Auch eine Bestätigungs-E-Mail des E-Mail-Dienstleisters lasse hier keine andere Bewertung zu, weil der Endkunde in der E-Mail ausdrücklich darüber informiert wurde, dass es sich lediglich um einen technischen Dienstleister handelt mit dem gar nicht korrespondiert wird.

Insgesamt stellt das Gericht zu Recht auf den wirtschaftlichen Wert der persönlichen Kundendaten für das Unternehmen ab. Bei objektiver Betrachtungsweise kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Daten von dem werbenden Unternehmen erhoben wurden.

Der Herausgabeanspruch ist nicht auf körperliche Gegenstände beschränkt, sondern erfasst gerade auch immaterielle Güter. Deshalb muss der Beauftrage auch ihm überlassene Kundendaten und das Recht zur Speicherung und Nutzung dieser Daten herausgeben.

 

Folgen der Entscheidung: Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung

Es ist nicht bekannt, welchen Aufwand das werbende Unternehmen treiben musste, um an den eigenen Verteiler zu gelangen. Es hat jedenfalls den Anschein, als habe der glimpfliche Ausgang für einigen Aufruhr, Zeitaufwand und sicher erhebliche Kosten gesorgt. Insofern gilt wie stets, Vorsorge zu treffen.

(1) Zum einen sollte dafür gesorgt werden, dass in regelmäßigen Abständen physische Backups des Verteilers an den Kunden gehen. Dass der Dienstleister hier im Normalfall kulant ist und entsprechende Anfragen umgehend beantwortet nutzt nichts, wenn der Insolvenzfall eingetreten ist oder Auseinandersetzungen das Verhältnis Kunde-Agentur belasten. Dazu bedarf es daher konkreter (insolvenzfester) vertraglicher Vereinbarungen. In der Praxis muss das dann natürlich auch regelmäßig umgesetzt werden.

(2) Außerdem sollte aus Kundensicht klar vereinbart werden, dass im Kündigungsfalle die Daten unabhängig von etwaigen Außenständen oder anderen Streitpunkten in der jeweils aktuellen Fassung herauszugeben sind. Ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht auf das sich der Dienstleister berufen mag, sollte ausgeschlossen werden.

Die Vereinbarungen sollten auch auf solche Daten erstreckt werden, die das werbende Unternehmen nicht quasi selbst (durch den Dienstleister) erhebt, sondern die von dem Dienstleister oder Dritten stammen.

(3) Daneben zeigt der Fall auch, dass es – für beide Vertragspartner – wichtig ist, über die Datenverarbeitung klare Regelungen zu treffen. Jede Weitergabe von Daten an ein drittes Unternehmen (auch konzernintern) bedarf der Rechtfertigung. Liegt eine Einwilligung nicht vor, hilft oft ein Auftragsdatenverabreitungsvertrag, in dem u.a. die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die der Dienstleister trifft festgelegt sind. In diesen Verträgen wird üblicherweise auch eine Herausgabepflicht explizit geregelt.

 

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte und Autor des Buches Online-Marketing und Recht. Näheres zu seiner Person finden Sie unter hier.

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