Das Jahr 2012 hat uns zahlreiche – teil aufsehenerregende – Urteile beschert, die die E-Mail-Marketing-Branche betreffen. Wir blicken zurück auf ein turbulentes Jahr 2012 und schauen zugleich voraus auf 2013. Der folgende Beitrag setzt sich mit den wichtigsten Entwicklungen im E-Mail-Marketing auseinander und listet 10 Urteile zur E-Mail-Werbung auf, die Sie kennen sollten. Von Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte
Was war 2012?
1. Double-Opt-In
Der Aufreger des Jahres war ohne Zweifel eine Entscheidung aus München: Zum Jahresende gab es einen Paukenschlag im E-Mail-Marketing: Das OLG München hat entschieden, dass eine Check-Mail im Rahmen eines Double-Opt-In-Verfahrens als Werbung zu qualifizieren sei und deshalb eine Einwilligung des Empfängers nachgewiesen werden müsse (Urteil vom 17.9.2012, Az. 29 U 1682/12).
Das Urteil hat das Double-Opt-In-Verfahren gänzlich in Frage gestellt und ist daher aus der Branche aber auch von Juristen zu recht durchweg kritisiert worden. Das Urteil der Münchener Richter ist falsch, führt nun aber zu erheblicher Unsicherheit. Letztlich dient die Bestätigungs-E-Mail gerade der Verifizierung der erhobenen Adresse. Wenn die Check-Mail selbst ohne Werbung ist, beschränkt sich die Check-Mail auf eine automatisch versendete Benachrichtigung über die Eintragung der E-Mail-Adresse. Werbung – für deren Übersendung per E-Mail eine vorherige eine Einwilligung erforderlich wäre – ist das dann nicht.
Es bleibt daher der der rechtliche Rat, sich von dem Urteil nicht verunsichern zu lassen und mehr oder weniger weiter zu verfahren wie bisher. Der Bundesgerichtshof gegebenenfalls auch der Europäische Gerichtshof wird die Sache letztlich zu Gunsten der Werbenden klären.
2. Feedback-Anfragen
In Bezug auf Kundenbewertungen ist hingegen viel erfreulichere Rechtsprechung ergangen. Das LG Coburg (Urteil vom 17.2.2012, Az. 33 S 87/11) hat Feedback-Anfragen nicht als Werbung eingestuft, sondern als Service für den Kunden. Danach sind einmalige Anfragen per E-Mail zur Kundenzufriedenheit als Bestandteil der Kaufabwicklung anzusehen, womit keine explizite Einwilligung des Kunden erforderlich ist.
3. Novelle des Datenschutzrechtes
Aufmerksamkeit erregt hat darüber hinaus die angebliche Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes zum 1.9.2012. Zunächst einmal gab es überhaupt keine neuerliche Novelle des BDSG. Vielmehr ist lediglich eine Übergangsfrist für Altdaten ausgelaufen. Vielfach wurde die Änderung auch mit dem E-Mail-Marketing in Verbindung gebracht.
Dabei ist die Datenschutzrechtsänderung im Bereich der E-Mail-Werbung nicht nur unspektakulär, sondern ändert rein gar nichts. Inhalt der Änderung sind weitere Einschränkungen bei dem Gebrauch von Listendaten in der Direktwerbung. Die E-Mail-Adresse ist aber überhaupt kein besonders privilegiertes Listendatum.
Vorher wie nachher bedarf es zudem schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen grundsätzlich der einer ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers.
4. Tell-a-friend
Die Tell-a-friend-Funktion befindet sich auch nach 2012 immer noch im juristischen Graubereich. Zwar hat sich das LG Berlin zu einem Facebook-Fall geäußert (Urteil vom 6.3.2012, Az. 16 O 551/10) und den Dienst für rechtswidrig erklärt, doch bleibt die von Facebook eingelegte Berufung abzuwarten. Tell-a-friend-E-Mails werden von den Gerichten nach wie vor kritisch beurteilt. Auch hier gilt weiter, dass eine Reihe von Anforderungen einzuhalten ist, wenn Tell-a-friend-E-Mails einigermaßen rechtssicher versendet werden sollen.
5. Insolvenz des E-Mail-Marketers
Was passiert mit den Kundendaten, wenn der E-Mail-Marketer insolvent ist? Dieses furchtbare Szenario hat 2012 das OLG Düsseldorf untersucht und festgestellt: Sofern der Marketer die Kontaktdaten nicht selbst erhebt, sondern diese vom werbenden Unternehmen, das die Dienstleistungen des E-Mail-Marketers in Anspruch nimmt, übermittelt werden, besteht ein Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzverwalter des Dienstleisters (Urteil vom 27.9.2012, Az. I-6 U 241/11). Trotz Pleite der Agentur sind die Werbenden damit in Bezug auf die Kundendaten nicht rechtlos gestellt.
6. Einwilligung selbst bei gemeinnützigen Zwecken
Der Grundsatz, dass eine ausdrückliche Einwilligung in E-Mail-Werbung vorliegen muss, damit sie zulässig ist, gilt auch bei gemeinnützigen Zwecken. Die Sponsorensuche für eine Charity-Veranstaltung per E-Mail bedarf einer vorherigen Einwilligung des Empfängers, wie das LG Berlin klargestellt hat (Urteil vom 22.7.2011, Az. 15 O 138/11).
7. Haftung
Für unerwünschte E-Mail-Werbung haftet der Admin-C nicht als Störer. Das hat 2012 das KG Berlin bestätigt (Urteil vom 3.7.2012, Az. 5 U 15/12).
Umgekehrt ist allerdings Obacht geboten: Der Werbetreibende haftet im Regelfall für Handlungen der von ihm Beauftragten. Wer Agenturen oder Affiliates freie Hand lässt, muss damit rechnen, für deren Handlungen einzustehen.
8. Streitwert
In der juristischen Praxis stellt sich häufig die Frage nach dem Streitwert bei unerwünschter E-Mail-Werbung. Das OLG Hamm hat den Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung solcher E-Mail-Werbung auf 7.500 EUR in dem Durchschnitt entsprechenden Fällen festgesetzt (Beschluss vom 6.2.2012, Az. I-4 W 4/12). Damit bewegt sich das OLG Hamm am oberen Ende der Skala.
Was wird 2013?
2013 lässt insbesondere die Klärung der Streitfrage um das Double-Opt-In-Verfahren erwarten. Das unerfreuliche Urteil des OLG München wird von Juristen einhellig kritisiert und als falsch abgelehnt. Deshalb ist zu hoffen, dass es schnell zur Klarstellung kommt, die der E-Mail-Marketing-Branche wieder Sicherheit gibt. Allerdings ist in jenem Verfahren keine Revision eingelegt worden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis sich der BGH mit einem vergleichbaren Fall zu befassen hat. Wer wegen des Versandes von Check-Mails angegangen wird, muss zum dem entscheidenden Gericht einerseits darlegen, warum das Urteil des OLG München falsch ist und andererseits versuchen darzulegen, dass sich die Sachverhalte unterscheiden. Auch dafür wird es oft genug Anlass geben.
Darüber hinaus sind beispielsweise Urteile zu folgenden Themenfeldern zu erwarten: Reminder-E-Mails an Kaufabbrecher, Co-Sponsoring, personalisierte Newsletter, Werbung in Transaktions-E-Mails. Details in diesen Bereichen sind juristisch nicht geklärt. Es steht zu fürchten, dass einzelne Fälle vor Gericht landen werden.
Besonderes Augenmerk ist auf das Erlöschen von Einwilligungen zu legen. In den letzten Jahren ergingen dazu verschiedenste Urteile. Es wurde zum Teil ein Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahren bis zum Erlöschen einer Einwilligung angenommen, oder sogar nur von 4 Wochen. Auch hier bleibt zu hoffen, dass andere Gerichte anders entscheiden. Für das Erlöschen einer Einwilligung ist kein Raum.
Top 10: Urteile zum E-Mail-Marketing in 2012
1. OLG München vom 27.9.2012
29 U 1682/12 – Double-Opt-In
Eine Check-Mail im Rahmen des Double-Opt-In-Verfahrens ist Werbung, so dass eine Einwilligung des Empfängers nachzuweisen ist.
2. LG Coburg vom 17.2.2012
33 S 87/11 – Feedback-Anfragen
Feedback-Anfragen sind Teil der Kaufabwicklung und keine Werbung, daher ist keine ausdrückliche Einwilligung des Kunden erforderlich.
3. OLG Düsseldorf vom 27.9.2012
I-6 U 241/11 – Insolvenz des E-Mail-Marketers
Das werbende Unternehmen hat einen Anspruch auf Herausgabe der Kundendaten gegen den E-Mail-Dienstleister im Falle dessen Insolvenz.
4. LG Berlin vom 6.3.2012
16 O 551/10 – Tell-a-friend
Tell-a-friend-E-Mails von Facebook sind rechtswidrig.
5. BGH vom 16.08.2012
I ZB 2/12 – Beschwerdewert bei Verurteilung zur Unterlassung
Der Wert einer Beschwerde des zur Unterlassung des Versandes von unerbetener E-Mail-Werbung verurteilten, liegt nicht höher als 300,- Euro. Die Anforderungen an die Darlegung der Voraussetzungen einer Zustimmung zu E-Mail-Werbung im Double-opt-in-Verfahren ist durch den BGH hinreichend geklärt.
6. OLG Hamburg vom 15.12.2011
4 U 85/11 – Rechtsnatur eines ASP-Vertrags
Bei einer entgeltlichen Überlassung von Standardsoftware zur Erbringung von E-Mail-Dienstleistungen (ASP-Vertrag) findet Mietrecht Anwendung.
7. KG Berlin vom 3.7.2012
5 U 15/12 – Störerhaftung des Admin-C
Der Admin-C haftet nicht für unerbetene E-Mail-Werbung.
8. LG Berlin vom 22.7.2011
15 O 138/11 – Einwilligung bei Sponsorensuche
Bei der Suche nach Unterstützern per Email ist eine Einwilligung der Empfänger Voraussetzung.
9. OLG Hamm vom 6.2.2012
I-4 W 4/12 – Streitwert bei E-Mail- und Faxwerbung
Der Streitwert bei unerwünschter E-Mail-Werbung liegt durchschnittlich bei 7.500 EUR.
10. LG Gera vom 24.7.2012
3 O 455/11 – unerwünschte E-Mail ist Werbung
Eine unaufgefordert verschickte E-Mail stellt Werbung dar.
Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht in der auf Medien und Technologie spezialisierten Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte und Autor des Buches Online-Marketing und Recht. Näheres zu seiner Person finde Sie unter http://www.haerting.de/de/team/dr-martin-schirmbacher